Aufmerksamkeitsstörungen

ADHS: Kampagne gegen Vorurteile

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Berlin -

Mit einem Video wollen Wissenschaftler gängige Irrtümer über das Krankheitsbild des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) ausräumen. Das Video konfrontiert die Zuschauer mit zahlreichen Vorurteilen zur Krankheit und wird Anfang November auf verschiedenen Plattformen online gestellt.

Da fast jeder Kinder kennt, die sich schlecht konzentrieren können oder besonders unruhig sind, hat auch jeder eine eigene Meinung zu ADHS. Vieles davon sei jedoch Unfug, finden Wissenschaftler. „Es gibt wahrscheinlich keine Erkrankung, über die so meinungsstark, aber faktenschwach diskutiert wird wie über ADHS“, sagt Professor Dr. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt und Koordinator eines europaweiten Forschungsprogramms zu ADHS. „Es existieren wahnsinnig viele Vorurteile zu dem Thema.“

Für die Diagnose gibt es klare Kriterien, viele Befunde und eine belastbare Datenbasis und trotzdem zweifeln viele an der Existenz dieses Krankheitsbildes. „Das häufigste Vorurteil ist, dass es ADHS gar nicht gibt, sondern eine Erfindung der Pharmaindustrie ist, um abhängig machende Substanzen unters Volk zu bringen“, sagt Reif. „Das sind gleich drei Vorurteile in einem und alle drei sind falsch.“

„Das schlimmste Vorurteil ist jedoch, dass ADHS von schlechter Erziehung kommt“, sagt Reif. Es sei fatal, wenn Eltern eine Schuld zugesprochen wird, die sie gar nicht haben. Ein weiteres Vorurteil: Die Gesellschaft ist schuld. „Natürlich haben ADHS-Kinder auf der Alm keine großen Probleme, aber die meisten Kinder sind nun mal nicht auf der Alm, sondern in der Schule“, sagt Reif. Auch falsch ist aus seiner Sicht, dass sich ADHS auswächst. Reif zufolge leiden rund 15 Prozent der ADHS-Kinder auch als Erwachsene unter den vollen Symptomen, bei rund der Hälfte führt die Krankheit zu einer Beeinträchtigung, etwa durch Konzentrationsstörungen.

ADHS-Medikamente seien nachweislich gut wirksam und verringerten sogar das generelle Suchtrisiko bei den Patienten. In Frankfurt laufen derzeit gleich drei Studien, in denen neuartige Therapien ohne Medikamente erprobt werden. Untersucht wird eine Behandlung mittels Verhaltenstherapie, Bewegung plus Lichttherapie sowie die Behandlung mittels Hirnstimulation. Bei einer Hirnstimulation bekommt der Patient einen schwachen Strom-Impuls. Die Methode wird zum Beispiel bei Depressionen oder nach einem Schlaganfall eingesetzt. Die Forscher halten die Methode nach eigenen Angaben für sehr gut verträglich, leicht durchführbar und kosteneffektiv.

Die Ursachen zur Entstehung sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird von einer multifaktoriellen Pathogenese ausgegangen, bei der sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren von Bedeutung sind. Neurobiologische Faktoren scheinen einen größeren Einfluss zu haben als Psychosoziale. Sowohl Familien- und Zwillingsstudien als auch molekulargenetische Untersuchungen ergaben, dass genetische Faktoren eine signifikante Rolle bei der Entstehung spielen. Kommt es während der Schwangerschaft oder Geburt zu Schädigungen des Zentralnervensystems scheinen Kinder ebenfalls häufiger an ADHS zu erkranken.

In einem Positionspapier beklagten Experten verschiedener Institutionen kürzlich eine deutliche Versorgungslücke bei Erwachsenen. Experten zufolge haben etwa drei Prozent aller Erwachsenen ADHS, das sind mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland.

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