N-Acetylcystein (NAC) ist aus der Apotheke als Hustenlöser und in der Notfallmedizin als Antidot bekannt. Der Substanz werden neben den pharmakologisch genutzten auch antioxidative Wirkungen zugeschrieben. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg haben nun entschlüsselt, wie NAC die Zelle schützt.
Aus Studien ist bekannt, dass NAC den Spiegel zelleigener Oxidantien senkt und die toxische Wirkung oxidierender Fremdstoffe mildert. Deshalb gehört der Abkömmling der Aminosäure Cystein in der experimentellen biomedizinischen Forschung zu den am häufigsten verwendeten Antioxidantien. Bislang war unbekannt, wie die Substanz diese Wirkung entfaltet. Früher wurde angenommen, dass die Effekte auf einer direkten Reaktion mit Oxidantien beruhen. Dies hat sich später jedoch nicht bestätigt.
Um eine Antwort zum Wirkmechanismus zu bekommen, verfolgten Forscher des DKFZ den Abbau der Verbindung in der Zelle. Ihrem postulierten Mechanismus nach wird NAC enzymatisch zu Cystein umgewandelt. Im weiteren entsteht Schwefelwasserstoff (H2S), der physiologische Funktionen erfüllt. Normalerweise ist dieses Gas sehr giftig, doch in vivo erreicht der aus NAC gebildete Schwefelwasserstoff keine toxischen Konzentrationen. Dies wird auf den weiteren Stoffwechselprozess zurückgeführt: H2S wird vorwiegend in Mitochondrien zu Persulfiden oxidiert.
Die Wissenschaftler legen nahe, dass Persulfilde, die durch 3-Mercaptopyruvat-Sulfurtransferase (3-MP) und Sulfid-Chinon-Oxidoreduktase (SQR) gebildet werden, die eigentlichen Mediatoren der unmittelbaren antioxidativen und zytoprotektiven Wirkungen von NAC sind. Die Experimente zeigen nun, dass die Behandlung von Zellen mit NAC zur mitochondrialem Produktion von Persulfiden führt. „Persulfide binden an Proteine und schützen diese, vermutlich indem sie die Oxidation auf sich lenken, ähnlich wie ein Blitzableiter“, erklärt Dr. Tobias Dick, Leiter des Studie.
Die Funktion dieser Schwefelverbindungen in der Zelle ist bisher nicht ausreichend verstanden. Den Ergebnissen zufolge kann das Redox-sensitive grün fluoreszierende Protein (roGFP) zur Überwachung der Persulfidbildung in lebenden Zellen verwendet werden. „Persulfide könnten die starken antioxidativen Eigenschaften von NAC erklären“, schreiben die Forscher im Fachjournal „Cell Chemical Biology“.
In ihren Versuchen konnten sie sehen, dass eine Behandlung von Zellen mit synthetischen Persulfiden die antioxidative Wirkung des NAC schon bei wesentlich niedrigeren Konzentrationen nachahmt. „Wir verstehen jetzt viel besser, wie NAC Zellen vor oxidativen Belastungen schützen kann“, sagt Daria Ezerina, Doktorandin und Erstautorin der Studie.
Die Wissenschaftlerin warnt jedoch davor, NAC als Nahrungsergänzungsmittel dauerhaft und in hoher Dosierung einzunehmen. Denn auch Tumorzellen, die unter Stress stehen, könnten von dem Zellschutz profitieren. In Folge könnte möglicherweise das Tumorwachstum und die Metastasierung gefördert werden. Das hatten schwedische Forscher vor einigen Jahren an Mäusen beobachtet.
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