Abnehmspritzen: Abda und DDG gegen falsche Vorstellungen Laura Schulz, 22.02.2024 15:16 Uhr
Rund um die sogenannten Abnehmspritzen sind Fachleuten zufolge falsche Vorstellungen verbreitet. Es gebe den Wunsch, so ein Mittel zu nehmen und ansonsten weiterzumachen wie bisher, sagte Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Pharmazie bei der Abda, bei einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Er ist auch Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).
Tatsächlich müsse die Einnahme eingebettet sein in ein Gesamtkonzept mit Lebensstilveränderungen, etwa Ernährungsumstellung und mehr Bewegung, sagte DGG-Vizepräsidentin Professor Dr. Julia Szendrödi vom Universitätsklinikum Heidelberg. Werde das Medikament abgesetzt, steige das Gewicht ansonsten wieder an. Nebenwirkungen könnten unter anderem schwere Übelkeit sein. Es brauche immer eine ärztliche Begleitung, betonte Szendrödi.
Es geht um sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten, wie unter anderem Semaglutid, die in der breiten Öffentlichkeit mit Bezeichnungen wie Abnehmspritze bekannt wurden. Solche Präparate werden bei Patienten mit Diabetes schon länger genutzt. Bei ihnen lasse sich der Nutzen im Vergleich zum Risiko gut abwägen, sagte Szendrödi. Die bisherigen Erkenntnisse ließen sich aber nicht automatisch auf Menschen mit gesundem Stoffwechsel übertragen. Eine Zulassung auch gegen Adipositas ist neuer, solche Produkte müssen gesetzlich versicherte Patienten bisher in der Regel selbst bezahlen. Schulz erwartet diesbezüglich zunächst auch keine Veränderung.
Bei allen GLP-1-Rezeptoragonisten gebe es außerdem weiterhin und voraussichtlich auch noch das ganze Jahr „massive Versorgungsengpässe“, sagte Schulz. Den enormen weltweiten Anstieg der Nachfrage könnten Hersteller bisher nicht bedienen. Folgen der hohen Nachfrage sind demnach unter anderem gefälschte Rezepte, außergewöhnlich hohe Verordnungsmengen auf normalen Rezepten und Verordnungen durch fachfremde Ärzte.
Diese Mittel hätten einen Wert auf dem internationalen Schwarzmarkt. Gefälschte Spritzen seien in Deutschland „ziemlich sicher“ nicht bei Patienten angekommen. Es habe sich um umetikettierte Insulin-Pens gehandelt. „Das ist eine Katastrophe für die Menschen, die sich auf die Arzneimittelsicherheit in Deutschland verlassen“, sagte Schulz. Apotheken hätten jede einzelne Packung öffnen müssen, um die Echtheit zu prüfen.
Patientinnen und Patienten hätten darüber hinaus vieles auf sich genommen, um eine Unterbrechung ihrer Diabetes-Therapie zu umgehen. „Wir haben Fälle, da sind Patienten von Leipzig nach Hamburg gefahren“, berichtet Schulz. Ein Wiedereinstieg mit GLP-1-Rezeptoragonisten ist zwar möglich, mitunter haben Patienten dann aber wieder mit anfänglichen, nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungen zu kämpfen.