75+: Statine besser nicht absetzen APOTHEKE ADHOC, 06.08.2019 10:05 Uhr
Cholesterinsenker stehen mit ganz oben auf der Verordnungsliste: Doch ist die Einnahme von Statinen bei Senioren über 75 Jahren zur Senkung des Atherosklerose-Risikos noch sinnvoll? Die Frage nach dem Nutzen und den Risiken im hohen Alter ist derzeit nicht geklärt: Eine Kohortenstudie aus Frankreich gibt erste Hinweise auf die möglichen Risiken, die durch das Absetzen der Wirkstoffe entstehen können.
Aufgrund mangelnder Studienlage vermeiden die Leitlinien eine offizielle Empfehlung für die Einnahme von Statinen bei Senioren. Die ersten Ergebnisse aus zwei randomisierten Studien werden erst in einigen Jahren vorliegen. Ein Forscherteam hat nun die Daten aller französischen Kassenpatienten ausgewertet, denen in den Jahren 2012 und 2014 im Alter von 75 Jahren seit mindestens zwei Jahren ein Statin verordnet wurde: Somit kamen Daten von über 120.000 Patienten zusammen. Trotz hohen Alters wurde in Frankreich die Behandlung mit Statinen weiter fortgesetzt. Nur etwa 14 Prozent setzten die Statine für mindestens drei aufeinander folgende Monate ab. Von den Senioren wurden in den folgenden 2,4 Jahren 4,5 Prozent wegen eines Herz-Kreislauf-Problems im Krankenhaus behandelt.
Auffällig ist, dass bei Patienten, die Statine absetzten, das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen 33 Prozent häufiger war: Sowohl koronare Ereignisse als auch für zerebrovaskuläre Ereignisse kamen häufiger vor. Andere vaskuläre Ereignisse wie beispielsweise eine periphere Verschlusskrankheit traten hingegen nicht häufiger auf. Den Berechnungen zufolge könnten bei 100 Patienten, die Statine im Alter von 75 Jahren absetzen, in den folgenden vier Jahren 2,5 zusätzliche kardiovaskuläre Ereignisse auftreten. Die Forscher raten aufgrund der Ergebnisse, Statine auch über das 75. Lebensjahr hinaus weiter einzunehmen.
Die Aussagekraft der Studie ist allerdings begrenzt: Die Forscher hatten keine Informationen über die Gründe für das Absetzen der Medikamente, daher ist es durchaus möglich, dass eine zunehmende kardiovaskuläre Morbidität der Auslöser war. Außerdem könnten die Patienten, die die Einnahme forsetzten, körperlich gesünder gewesen sein und deshalb ein geringeres Risiko auf ein Herz-Kreislauf-Ereignis aufweisen. Auch andere Studien beschäftigten sind mit der Wirkstoffgruppe der Statine: So gaben die Ergebnisse einer Studie aus Rotterdam Hinweise auf ein erhöhtes Diabetes-Risiko: Behandelte hatten ein um 38 Prozent erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2 – so das Ergebnis nach einem Beobachtungszeitraum von 15 Jahren.
Die bekanntesten Vertreter der Statine sind Simvastatin, Atorvastatin, Pravestatin, Lovastatin und Fluvastatin. Statine gehören zu den Hemmern der HMG-CoA-Reduktase, dieses Enzym ist ein Zwischenprodukt der Cholesterinneusynthese. Sie unterdrücken die Bildung des Cholesterins, dies wird mit einer verstärkten Aufnahme aus dem Blutplasma kompensiert. Indiziert sind die Arzneistoffe bei Hypercholesterinämie und auch zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse. Die Therapie mit Statinen bewirkt eine deutliche Reduktion an Herzinfarkten und Todesfällen.
Der Dosierungsbereich liegt für alle Statine bei 5 bis 80 mg pro Tag als Einmaldosis; bei Kindern und Jugendlichen wird entsprechend weniger dosiert. Die Tabletten sollten abends eingenommen werden, da die körpereigene Cholesterinsynthese nachts am höchsten ist und so gehemmt werden kann. Die 80-mg-Dosis wird nur für Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie und hohem Risiko kardiovaskulärer Komplikationen empfohlen, bei denen die Therapieziele mit niedrigeren Dosen nicht erreicht wurden und zu erwarten ist, dass der Nutzen der Behandlung den potenziellen Risiken überwiegt. Patienten, die mit Simvastatin behandelt werden, sollten während der Therapie keinen Grapefruitsaft trinken. Inhaltsstoffe der Frucht hemmen Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber, wodurch die Metabolisierung des Arzneistoffs gehemmt wird. Die gleichzeitige Einnahme ist mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) verbunden. Daher sollte die gleichzeitige Einnahme von CYP3A4-Inhibitoren wie beispielsweise Clarithromycin und Ketoconazol vermieden werden. Möglich ist auch der Austausch auf Fluvastatin, das nicht über CYP3A4 metabolisiert wird.
Unter der Therapie mit Statinen können häufig Myalgien (Muskelschmerzen) und Myopathien (entzündliche oder degenerative Muskelerkrankungen) auftreten. Selten kann es zu einer Rhabdomyolyse führen. Dieser Begriff bezeichnet einen Muskelzelluntergang in der Skelett- und Herzmuskulatur. Mögliche Folgen sind akutes Nierenversagen. Das Risiko ist dabei dosisabhängig. Weitere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Exantheme sowie Schlafstörungen. Bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Rhabdomyolyse, Lebererkrankungen und erhöhten Serum-Transaminasewerten sind Statine kontraindiziert. Weitere Wechselwirkungen bestehen beispielsweise bei Amiodaron, Verapamil, Amlodipin und Diltiazem.