Paul Ehrlich

Magic Bullet und Männe dpa, 20.08.2015 07:54 Uhr

Berlin - 

Er gilt als Vater der Immunologie und er befreite die Welt von der „Lustseuche“ Syphilis – heute ist der 100. Todestag des Paul Ehrlich, nach dem heute ein Institut in Deutschland benannt ist. Die Lebensleistung des herausragenden Wissenschaftlers im Überblick 

Das Leben von Paul Ehrlich kann als Heldengeschichte erzählt werden und als Kuriositätenkabinett. 100 Jahre nach seinem Tod – er erlag am 20. August 1915 in Bad Homburg einem Herzinfarkt – würdigen Wissenschaftler in aller Welt seine Verdienste. „Seine Vielfalt, Weitsicht und Nachhaltigkeit haben ihn zu einem der Großen der Medizin gemacht“, sagt etwa Professor Dr. Harald zur Hausen (Heidelberg), der 100 Jahre nach Ehrlich den Nobelpreis für Medizin bekam und der heute einer nach ihm benannten Stiftung vorsteht.

Der 1854 in Schlesien geborene Ehrlich gilt unter anderem als Vater der Immunologie und der Chemotherapie. Viele seine Theorien haben sich bewahrheitet. „Er war ein grandioser Wissenschaftler, aber auch ein Unikum“, sagt Professor Dr. Fritz Sörgel. Der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (Nürnberg) organisiert internationale Kongresse über Ehrlich – und hat auch schon ein Theaterstück und ein Musical über ihn geschrieben: Ehrlich rauchte demnach wie ein Schlot, notierte seine Gedanken, wo immer sie ihm einfielen – auch auf Kragen oder Manschetten seiner Mitarbeiter – und nannte jeden neuen Dackel wie den alten: „Männe“.

Patienten und Studenten lagen ihm nicht so. „Paul Ehrlich stand lieber im Labor als am Krankenbett“, erfahren Besucher in der Ausstellung „Arsen und Spitzenforschung“, die noch bis zum 27. September in Berlin zu sehen ist. Vorlesungen sah der passionierte Forscher als leidige Pflichtübung. Von Ende Oktober an soll die Ausstellung über den Immunologen dann in Frankfurt zu sehen sein, wo der Ehrlich lange Zeit gewirkt hat.

Über Göttingen und Berlin kam Ehrlich 1899 nach Frankfurt, wo er zunächst das „Institut für Serumforschung und Serumprüfung“ leitete, das spätere Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Seine größten Erfolge hatte er am „Institut für Experimentelle Therapie“,aus dem später das Chemotherapeutische Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus wurde.

„Ehrlich war auf vielen Gebieten bereits relativ nah an dem Wissen, das wir heute haben“, sagt Professor Dr. Florian Greten, Ehrlichs Nachfolger als Direktor des Georg-Speyer-Hauses. Eine dieser Theorien ist die von den „Zauberkugel“: Ehrlich glaubte, dass es für jede Erkrankung ein spezielles Gegenmittel gibt, die im Körper ausschließlich diese Erkrankung angreift.

Eine andere wurde als Seitenkettentheorie bekannt, dafür bekam er 1908 den Nobelpreis: Mittels seitlicher Rezeptoren erkennen Zellen Krankheitserreger und Giftstoffe, binden sie nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an sich und machen sie so unschädlich – eine Beschreibung des Immunsystems.

„Die zentrale Erkenntnis von Paul Ehrlich war die Wechselwirkung zwischen körperfremden Stoffen und dem Körper. Als Folge der von ihm erkannten Prinzipien wurden Impfstoffe und Antibiotika entwickelt. Seine damals erzielten Erkenntnisse sind heute im Zeitalter zunehmender Antibiotikaresistenz aktueller denn je“, sagt Sörgel.

Seine praktischen Arbeiten aufzuzählen, sprengt fast den Rahmen. Er ersann eine Methode, Zellen einzufärben – und legte damit die Grundlage zur Diagnose von Blutkrankheiten. Er arbeitete mit Dr. Emil von Behring an einem Heilserum – und begründete zugleich eine Methode zur Standardisierung von Impfstoffen. Er entwickelte mit Salvarsan das erste spezifisch wirkende Chemotherapeutikum. Damit befreite er die Welt von der Syphilis – und machte sich Feinde, die dadurch eine moralische Enthemmung befürchteten.

Im Nationalsozialismus wurden seine Leistungen verschwiegen: Ehrlich war Jude. In den USA wurde 1940 ein Film über ihn gedreht, „Dr. Ehrlich's Magic Bullet“. Bis heute findet Sörgel, „dass Paul Ehrlich in Deutschland nicht die Hochachtung zuteil wird, die er verdient hätte“. Immerhin ist für den 22. November in der Frankfurter Paulskirche eine Gedenkfeier mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplant. Am 23. und 24. November betrachtet ein wissenschaftliches Symposium Ehrlichs Ideen aus heutiger Sicht. Die zweitägige Veranstaltung trägt den Titel „From Salvarsan to Personalised Medicine” und findet im Historisches Museum Frankfurt statt.

Man wird dabei wohl vieles finden, was bis heute wichtig ist: „Seine Entdeckungen haben die Bakteriologie, die Immunologie, die Arzneimitteltherapie und die individualisierte Medizin entscheidend vorangebracht“, sagt zur Hausen.