Inhalatives Insulin und smarte Formulierungen

100 Jahre Insulin: Das sind die Meilensteine

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Berlin -

Am 14. November findet jedes Jahr der Weltdiabetestag statt. Auch in diesem Jahr gibt es für Betroffene, Angehörige und Interessierte wieder ein umfassendes Online-Informationsangebot. Die „Zuckerkrankheit“ gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit – Tendenz steigend. Die Therapie ist umfassend, Insulin stellt einen zentralen Baustein der Behandlung dar. In diesem Jahr feiert es seinen 100. Geburtstag: Zeit für einen Rück- und Ausblick.

Alarmierende Zahlen: 2019 waren weltweit knapp 470 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt. Expert:innen schätzen, dass sich die Zahl bis 2045 fast verdoppeln wird. Denn viele nehmen entsprechende Vorsorgeuntersuchungen nicht wahr. Die meisten gesunden Menschen kennen zudem nicht die Anzeichen eines Diabetes. Viele wissen nicht einmal, dass es zwei Formen der Erkrankung gibt. Es herrscht also noch großer Aufklärungsbedarf.

Unterscheidung und Symptome

Etwa 90 Prozent der Diabetiker:innen leiden an Typ-2-Diabetes: Häufig tritt dieser nach dem 40. Lebensjahr auf. Es handelt sich um einen sogenannten „relativen Insulinmangel“. Das bedeutet, die Bauchspeicheldrüse produziert zwar Insulin, aber die Körperzellen verlieren ihre Empfindlichkeit für das Hormon. Oft ist auch die Ausschüttung des Insulins aus den Bauchspeicheldrüsenzellen gestört. Um dies auszugleichen, schüttet die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin aus. Es kommt zu erhöhten Blutzuckerwerten. Ungesunde Ernährung, Übergewicht und mangelnde Bewegung erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes.

Typ-1-Diabetes beginnt hingegen meist schon im Kindes- oder Jugendalter: Hierbei kommt es zu einem absoluten Mangel an Insulin. Ursache ist meist eine Fehlreaktion des Immunsystems. Die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse gehen zugrunde, dadurch steigt der Blutzuckerspiegel an und die Patienten werden insulinpflichtig. Diabetes äußert sich oft durch starken und vermehrten Harndrang und ständigen Durst, aber auch Symptome wie Müdigkeit, trockene Haut und wiederkehrende Infekte können auftreten.

Insuline: Was hat sich getan?

Insulin gehört mittlerweile als fester Therapiebaustein dazu. Die Auswahl an verschiedenen Insulinformen ist groß und es kommen immer neue hinzu. Dabei ist das Insulin noch gar nicht so alt. Der Grundstein wurde im 1921 von den Medizinern Frederick Banting und Charles Best gelegt. In den vergangenen 100 Jahren hat sich einiges getan.

Die wichtigsten Meilensteine im Überblick:

  • 27. Juli 1921: Erstmals Isolierung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Hundes
  • 11. Januar 1922: Erste Insulin-Injektion beim Menschen – allerdings bleibt die Wirkung aus
  • 23. Januar 1922: Erneute Injektion nach Verbesserung der Herstellung – diesmal mit Wirkung
  • 1923: Lilly bringt das erste kommerzielle Insulin auf den Markt, im Oktober folgt das Unternehmen Hoechst aus Frankfurt am Main
  • 1924: Becton Dickinson führt die erste speziell für die Insulininjektion entwickelte Spritze ein
  • 1925: Novo Nordisk (damals Novo Terapeutisk Laboratorium) folgt mit einem weiteren Insulin
  • 1946: Charles Krayenbühl und Thomas Rosenberg finden eine Methode, kristallines Protamin-Insulin herzustellen. Dadurch ist erstmals eine Mischung mit schnellwirksamem Insulin ohne Veränderung der Wirksamkeit beider Insuline möglich
  • 1950: Einführung von neutralem Protamin Hagedorn (NPH) Insulin
  • 1956: Der erste Urinzuckerteststreifen wird unter dem Namen „Clinistix“ eingeführt
  • 1965: Die US-Firma Ames bringt den ersten Blutzuckerteststreifen unter dem Namen „Dextrostix“ auf den Markt. Zur Messung wird Glukoseoxidase verwendet und man benötigt einen großen Blutstropfen, welcher nach einer Minute abgewaschen werden muss. Der Teststreifen färbt sich anhand der gemessenen Menge und kann dann mittels Farbtabelle abgelesen werden. Zielgruppe für diesen Teststreifen sind Ärzte.
  • 1970: Das erste Blutzuckermessgerät für die fotometrische Auswertung der „Dextrostix“ wird eingeführt: Es wiegt 1,2 kg und soll in Arztpraxen und Kliniken zum Einsatz kommen
  • 1978: Das erste Schulungs- und Behandlungsprogramm für Patient:innen mit Typ-1-Diabetes startet
  • 1981: Erste tragbare Insulinpumpen zur alltäglichen Verwendung durch Patient:innen kommen auf den Markt
  • 1985: Mit dem NovoPen (Novo Nordisk) kommt der erste Insulinpen auf den Markt
  • 1996: Humalog (Insulin lispro, Lilly) kommt als erstes Insulinanalogon auf den Markt, „Mahlzeiten-Insuline“ wirken vergleichsweise schnell, sodass der Spritz-Ess-Abstand entfällt
  • 1999: Mit NovoRapid (Insulin aspart, Novo Nordisk) folgt ein weiteres Insulinanalogon, auch erste CGM-Systeme für die dauerhafte Messung kommen auf den Markt
  • 2000: Mit Lantus (Insulin glargin, Sanofi) kommt das erste langwirkende Insulinanalogon auf den Markt
  • 2004: Apidra (Insulinglulisin, Sanofi) folgt als drittes Insulinanalogon, Levemir (Insulin detemir, Novo Nordisk) folgt als zweites langwirksames Insulinanalogon: Derartige Insuline besitzen ein flaches Wirkprofil und führen damit signifikant weniger zu Hypoglykämien
  • 2006: Inhalatives Insulin kommt auf den Markt, Pfizer erhält die Zulassung für Exubera als Pulverinhalator – nimmt es aber im Oktober 2007 wieder vom Markt, weil es zu wenig genutzt wird. 2008 stellen auch weitere Hersteller ihre in der Entwicklung befindlichen inhalativen Insuline ein.
  • 2013: Die zweite Generation der Insulinanaloga folgt: Tresiba (Insulin degludec, NovoNordisk) kommt als erster Vertreter auf den Markt. In den folgenden Jahren kommen weitere Vertreter. Sie alle haben ein noch flacheres Wirkprofil:
    • 2015: Toujeo (Insulin glargin, Sanofi), außerdem laufen die ersten Patente aus – es folgen Insulin-Biosimilars
    • 2017: Fiasp (Faster Insulin Aspart, Novo Nordisk)
    • 2020: Lyumjev (Ultrarapid Lispro, Lilly)

Ausblick: Was kommt in den nächsten 100 Jahren?

Im Bereich Insuline hat sich in den vergangenen 100 Jahren also viel getan. Doch auch in Zukunft soll sich die Therapie weiter verbessern. Es wird nach wie vor an Insulinen geforscht, die das Leben mit Diabetes erleichtern sollen. Ein Ansatz ist zum Beispiel Insulin, welches vorrangig in der Leber wirken soll – am physiologischen Wirkort des Insulins. Ein weiterer Forschungsansatz ist orales Insulin: Allerdings stellt hier die Zersetzung im Magen-Darm-Trakt noch eine große Hürde dar. Ein weiterer neuer Ansatz sind die sogenannten „smarten Insuline“: Dabei wird ein Depot in den Körper eingebracht, aus dem abhängig von der Glukosekonzentration Insulin bei Bedarf abgegeben werden soll. Es ist dafür an eine spezielle Trägersubstanz gebunden, sodass es aus dem Unterhautfettgewebe in die Blutbahn gelangen kann.

Bislang muss Insulin im Kühlschrank gelagert werden. Eine weitere Vereinfachung wäre daher eine Optimierung der Lagertemperaturen. Deshalb wird unter anderem an thermostabilen Formulierungen geforscht, die auch bei Raumtemperatur haltbar sind.

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