Die Rabattverträge sind tot, es leben die Rabattverträge. In NRW, Schleswig-Holstein und Hamburg haben sich alle Kassen zusammengetan und wollen mit Pharmaherstellern Verträge über zahlreiche Wirkstoffe für die Krebstherapie schließen. Das ist eigentlich auch so gewünscht, untergräbt aber die Verhandlungen, die der GKV-Spitzenverband derzeit mit den Apothekern führt.
Exklusive Zytoverträge mit Apotheken sind ab Freitag Geschichte. Dann endet die im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) festgesetzte Übergangsfrist, die noch laufenden Verträge sind dann endgültig Geschichte. Künftig sollen die Kassen mit der Hilfstaxe sparen, bis Donnerstag muss diese überarbeitet sein. Alternativ dürfen die Kassen nach neuer Gesetzeslage direkte Verträge mit den Herstellern schließen.
Genau das soll schon ab Oktober geschehen. Die AOK Rheinland/Hamburg hat im Namen aller Kassen in den entsprechenden KV-Gebieten einen Lieferauftrag zu sogenannten Open-House-Verträgen bekanntgemacht. Zu den geforderten Zielpreisen dürfen die Hersteller dann mit den Kassen abrechnen. Die Verträge sind nicht exklusiv, jeder Hersteller kann – auch später noch – zu den geforderten Konditionen beitreten.
Bei der Verarbeitung der betroffenen Wirkstoffe müssen die Zyto-Apotheker solche Verträge in der Praxis beachten – wie bei den klassischen Generikaverträgen. Haben mehrere Hersteller den Vertrag für einen Wirkstoff unterzeichnet, kann die Apotheke zwischen den Anbietern wählen. Verwürfe dürfen ebenfalls abgerechnet werden, offenbar müssen letztlich die Firmen dafür aufkommen.
Es war zu erwarten, dass die Kassen gemäß der neuen Gesetzeslage von der Möglichkeit Gebrauch machen würden, entsprechende Verträge zu schließen. Doch der Zeitpunkt überrascht: Am morgigen Donnerstag treffen sich die Unterhändler vom GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV), um über die Novellierung der Hilfstaxe zu verhandeln. Daran werden sowohl die Preise für die Abrechnung der Wirkstoffe festgezurrt, als auch die Berechnungsgrundlage für die Herstellung, einschließlich Abrechnung.
Zwar hat es zwischen den Vertragsparteien erste Vorgespräche gegeben, es ist aber alles andere als sicher, dass man sich morgen schon einigt. Geschieht dies nicht oder ist ein Ergebnis nicht wenigstens greifbar, geht die Sache ins Schiedsverfahren.
Dem Vernehmen nach sind die Gespräche zwischen DAV und GKV-Spitzenverband wegen des Vorpreschens der Kassen mit den Open-House-Verträgen ins Stocken geraten. „Das hat eine Einigung eher erschwert als erleichtert“, heißt es aus Verhandlungskreisen. Beide Seiten hätten es wohl lieber gesehen, erst eine neue Hilfstaxe unter Dach und Fach zu bringen und dann die Potenziale für die Herstellerverträge auszuloten.
Jetzt muss sich die Verhandlungskommission auf den Vorstoß aus NRW einstellen. Denn beide Sparmaßnahmen müssen in der Praxis miteinander verknüpft werden. Denkbar ist etwa, dass in der Hilfstaxe für einen Wirkstoff ein niedrigerer Preis ausgehandelt wurde als die Kassen in ihren Verträgen verlangen.
Die gegenwärtige Hilfstaxe bildet im Prinzip den Einkaufspreis der Wirkstoffe und den „Arbeitspreis“ für die Dienstleistung des Apothekers ab. Bei generikafähigen Wirkstoffen wird der Preis des zweitgünstigsten Einkaufspreises als Berechnungsgrundlage gewählt. Darauf gibt es unterschiedliche Rabatte und Abschläge. Der Arbeitspreis für die Apotheker schwankt je nach Art der Zubereitung zwischen 39 und 81 Euro. Seitenlang geregelt wird in der Hilfstaxe der Umgang mit den Verwürfen, deren Abrechnung mit den Rabattverträgen ausgeschlossen wurde. Das alles liegt jetzt auf dem Verhandlungstisch und muss neu geregelt werden.
Von den Forderungen der Kassen bei den Zielpreisen hängt auch ab, ob oder in welchem Umfang sich die Hersteller an den Open-House-Verträgen beteiligen. Während die Originalhersteller in einer relativ komfortablen Situation sind, wird die Generikaindustrie die Entwicklung sehr genau im Blick behalten müssen. Die Möglichkeit eines späteren Beitritts zu gleichen Konditionen würde aber auch ihnen zumindest eine Phase der Zurückhaltung zu Beginn erlauben. Am 1. Oktober soll es losgehen. Dann wissen die Zyto-Apotheker, bei wem sie künftig einkaufen müssen.
An den Open-House-Verträgen beteiligt sind neben der federführenden AOK Rheinland/Hamburg die AOK NordWest, Barmer, Techniker, DAK-Gesundheit, KKH, die beiden anderen Ersatzkassen HKK und HEK, der BKK-Landesverband Nordwest, IKK Nord sowie die IKK classic, die Knappschaft und die SVLFG als landwirtschaftliche Krankenkasse.
Folgende 55 Wirkstoffe könnten von den Verträgen betroffen sein: Asparaginase (E. Coli), Asparaginase (Erwinia chrysanthemi), Azacitidin, Bendamustin, Bleomycin, Bortezomib, Calcium folinat, Carboplatin, Cetuximab, Cisplatin, Cladribin, Cyclophosphamid, Cytarabin, Cytarabin liposomal, Dacarbazin, Dactinomycin, Daunorubicin, Dexrazoxan, Dinatrium folinat, Docetaxel, Doxorubicin, Doxorubicin (liposomenverkapselt), Doxorubicin, PEG-liposomal Epirubicin, Etoposid, Fludarabin, Fluorouracil, Gemcitabin, Idarubicin, Ifosfamid, Irinotecan, Irinotecan, PEG-liposomal, Melphalan, Mesna, Methotrexat, Mitoxantron, Ofatumumab, Oxaliplatin, Paclitaxel, Paclitaxel-Humanserumalbumin-gebundene Nanopartikel, Panitumumab, Pegaspargase (E. Coli), Pemetrexed, Pentostatin, Temozolomid, Temsirolimus, Thiotepa, Topotecan, Trabectedin, Treosulfan, Vinblastin, Vincristin, Vindesin, Vinflunin und Vinorelbin.
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