Zu viele Notdienste: Inhaberin gibt Filiale auf Carolin Ciulli, 26.01.2022 10:19 Uhr
Lange hat Katharina Rorer gehofft, ihre Forst Apotheke weiter betreiben zu können. Doch bei der Suche nach einer Filialleitung stand immer ein Gegenargument im Raum – die hohe Frequenz beim Notdienst. „Alle neun Tage Dienst ist eine Belastung, die Apotheker abschreckt“, sagt sie. Mehrere Anträge und Einsprüche bei der Kammer, die Nacht- und Notdienste neu zu strukturieren, blieben erfolglos. Dort sieht man das Problem, hat aber noch keine Lösung.
Rorer übernahm die Forst Apotheke im Dezember 2016 als ihre Hauptapotheke. Der damalige Inhaber suchte lange nach einer Nachfolger:in. Der Kontakt kam per Zufall zustande und die damalige Leiterin einer Filialapotheke in Augsburg zog mit ihrer Familie aufs Land. „Ich bereue es nicht, die Apotheke läuft super und die Kunden sind sehr nett.“ Vor zwei Jahren übernahm sie die Bären-Apotheke und machte sie zu ihrem Hauptstandort.
Ende der Woche wird die Forst Apotheke im oberbayerischen Hohenlinden vorübergehend schließen. „Definitiv“, sagt Rorer bestimmt. Die hohe Zahl der Notdienste sei einer von mehreren Gründen, weshalb es nicht mehr funktioniere. Die Apothekerin hat genug von der Personalsuche und den vielen Diensten, die der Wegfall ihrer Filialleitung mit sich brachte. Immerhin führe sie noch die Bären-Apotheke in Grafing. „Ich kann nicht dort arbeiten und gleichzeitig die Dienste in Hohenlinden machen. Seit fünf Jahren arbeite ich einmal in der Woche 36 Stunden durch.“ Deshalb habe sie die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) über ihre Situation informiert und eine Dienstbefreiung oder eine Anpassung des Bezirks gefordert.
„Natürlich wünscht man sich in dieser Situation von der Standesvertretung Unterstützung. Manchmal ist die nächste Notdienstapotheke keine zehn Kilometer entfernt.“ Ihre letzte Rückmeldung aus München war, dass man den Fall besprechen wolle. „Ich frage mich, wie die sich das vorstellen.“ Rorer vermisst Verständnis für ihre Situation. Apotheker:innen hätten oft ein „aufopferndes Wesen“, sagt sie über sich. „Das schlaucht.“
Apothekerin an der Belastungsgrenze
Die Apothekerin zeigte eine „vorübergehende Schließung“ an. „Mir tut es im Herzen weh, die Apotheke aufgeben zu müssen.“ Jetzt ist sie sogar soweit, dass sie die Filiale verkaufen will: „Für mich alleine ist die gesundheitliche Belastung mittlerweile so groß, dass ich die Apotheke auch abgeben würde.“ Die Notdienstkreise müssten angesichts der Schließungen anders verwaltet werden, fordert sie. Ihr nächster Dienst ist für morgen eingetragen, auch für den Sonntagsdienst am 6. Februar listet die Kammer noch die Forst Apotheke.
Die Kammer betont, dass das Thema Fachkräftemangel im Vorstand „höchste Priorität“ habe. „Wir haben aber natürlich größtes Verständnis für die Sorgen und Nöte unserer Mitglieder, gerade was das Thema des auch aus unserer Sicht leider akuten Fachkräftemangels angeht“, sagt Justiziar und stellvertretender Geschäftsführer Klaus Laskowski. Die Kammer sei „bei Einteilung der Dienstbereitschaft und der Frage etwaiger Dienstbefreiungen als Körperschaft des öffentlichen Rechtes natürlich verpflichtet, die dafür geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten“.
Die Kammer rechtfertigt ihre Haltung: „Eine wesentliche Aktivität unserer Notdienstabteilung besteht darin, mit allen Beteiligten im Dialog die Notdienstsituation unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen bestmöglich zu organisieren. Mit der zunehmenden Anzahl der Apothekenschließungen können Sie sich sicherlich vorstellen, dass dies mitunter eine Mammutaufgabe darstellt, weil wir zum Beispiel gleichzeitig die nach der Rechtsprechung vorgegebenen Entfernungsparameter zu berücksichtigen haben, damit die Bevölkerung auch zu Notdienstzeiten ausreichend zeitnah mit dringend benötigten Arzneimitteln versorgt wird“, so Laskowski.
Software soll Kreise optimieren
Anregungen aus den Notdienstbezirken würden aufgegriffen und deren Umsetzbarkeit geprüft, betont er. Zudem habe sich die Kammer eine spezielle Software zugelegt, die möglichen Optimierungsbedarf in den jeweiligen Notdienstkreises aufzeige. „Daneben stehen wir auch mit den Verantwortlichen im Ministerium in Kontakt, um mögliche Anpassungen der bisherigen gesetzlichen Parameter angesichts der sinkenden Anzahl der Apotheken in der Fläche im Dialog auszuloten.“
Bereits 2015 klagte eine Apothekerin gegen die Kammer, weil sie die maximale Entfernung zur nächsten Notdienstapotheke von 15 Kilometern als zu niedrig empfand und auf Erleichterungen hoffte. Sie verlor jedoch vor dem Verwaltungsgericht Regensburg (VG).
Die Dienstpläne für die rund 160 Notdienstkreise werden jährlich erstellt. Etwa 8 Prozent der rund 3200 bayerischen Apotheken haben täglich Nacht- und Notdienst. „Die hohe Dienstbereitschaft und der zuverlässige Notdienst sind ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Apotheke vor Ort“, so die Kammer. Dienstbefreiungen sind bis zu einer Dauer von maximal sechs Wochen im Jahr möglich.