Zivilcourage

Apotheker kontert rassistische Kundin

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Berlin -

Kundenbeschwerden sollten grundsätzlich ernst genommen werden. Jens Beuth, Inhaber von vier Farma-Plus Apotheken im Ruhrgebiet, erhielt allerdings eine Kritik, die ihn schockierte: Eine Kundin störte sich am Kopftuch einer PTA. Er veröffentlichte das anonymisierte Schreiben sowie seine Reaktion auf Facebook. Fast 15.000 Nutzer teilten seine emotionale Antwort.

Am Sonntag erklärte eine Kundin per E-Mail, dass Beuths Apotheke im Ruhr Park Bochum sie und ihren Mann als Kunden verloren habe. Grund: „Mit Erschrecken“ habe sie feststellen müssen, dass Beuth „ein Mitarbeiterin mit muslischem Kopftuch“ beschäftige. Die Kundin kritisierte, dass ihr „durch diese Person“ nonverbal mitgeteilt werde, dass sie sich als Sexualobjekt präsentiere. Zugleich werde ihrem Mann unterstellt, „dass er schon geil wird, sobald er ein paar Haare sieht“. Die Kundin bedauerte, dass sie leider noch ein schon bezahltes Medikament abholen müsse. Danach werde sie aber definitiv bei der Konkurrenz einkaufen.

Eine derartige Beschwerde hatte Beuth noch nie erhalten. „Ich war schockiert“, gibt er zu. Er habe der Kundin direkt zurückgeschrieben. „Ich beschäftige Christen, Muslime und Atheisten, dicke, dünne, große und kleine Frauen und Männer, von jung bis alt, blond bis schwarzhaarig, lange, kurze und auch ohne Haare“, schrieb er. Genauso seien Gepiercte, Motorradfahrer, Fußballfans und Veganer unter seinen Mitarbeitern: „Ein Querschnitt aus der Bevölkerung!“

Beuth ist es wichtig, kein homogenes Team zu beschäftigen. Etwa 60 Angestellte arbeiten in seinen vier Apotheken im Ruhrgebiet. Sein ältester Apotheker ist 76, die jüngsten Mitarbeiter sind noch in der Ausbildung. Auch die von der Kundin gemeinte PTA habe erst vor etwa einem Jahr in der Apotheke angefangen. „Sie ist eine junge, moderne Frau“, sagt er.

Den Beschwerdebrief hat Beuth seinem Team vorgelesen. Mit der betroffenen Angestellten, die anonym bleiben will, habe er persönlich mehrfach gesprochen. Er wollte klären, ob die Kundin bereits in der Apotheke rassistische Kommentare geäußert hätte. Das sei nicht der Fall gewesen: „Meine Mitarbeiterin hatte mit der Kundin gar keinen direkten Kontakt, war nur in der Apotheke anwesend.“ Die Beschwerde der Patientin sei also auf nichts anderes als die Kleidung der PTA zurückzuführen.

Der Apotheker stellte klar, dass solche Kunden in seiner Apotheke nicht erwünscht seien. „Da wir aber einen gesetzlichen Auftrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln haben, werden wir Sie im Notfall trotzdem fachgerecht und freundlich als Patientin begrüßen“, betonte er. Als ein Patient vor etwa einen Jahr Mitarbeiterinnen bedroht hatte, hatte Beuth bei der Apothekerkammer nachgefragt, ob er Hausverbote erteilen dürfte. „Es kam keine eindeutige Antwort. An sich ginge das, aber rechtlich muss eine Apotheke trotzdem jeden Patienten versorgen“, erklärt Beuth.

In seiner Antwort-Mail hatte er der Kundin angeboten, ihr das Rezept zurückzugeben und auch die bereits geleistete Zuzahlung zu erstatten. Dann könne sie das Medikament in einer „'kopftuchlosen' Apotheke“ abholen. Bislang habe sich die Kundin zu dem Vorschlag nicht geäußert; das Medikament habe am Morgen noch abholbereit in der Apotheke gelegen, so Beuth. Er schrieb ihr, dass Integration in jedem Fall anders laufe, als sie sich das vorstelle und schlug vor: „Aber vielleicht möchten Sie sich ja noch selbst in Zukunft in die Gesellschaft integrieren und damit aufhören zu intrigieren!“

Er fragte die Patientin außerdem, ob sie damit einverstanden sei, dass er ihre Beschwerde auf Facebook veröffentliche. Ihre Antwort ließ nicht auf sich warten; sie meldete sich nochmals per E-Mail bei Beuth. „Ich hatte erwartet, eine noch schlimmere Hass-Nachricht zu bekommen“, sagt er. Dem war aber nicht so. Sie untersagte ihm zwar, ihre Mail in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, bezeichnete Beuth aber als vorbildlich vorurteilsfrei.

Beuth veröffentlichte ihre Beschwerde sowie seine Antwort daraufhin anonymisiert. Die Resonanz überwältigte ihn: „Ich habe inzwischen 582 Freundschaftsanfragen bekommen“, sagt Beuth. „Das hat mich überrollt.“ Ihn freut es, dass die Reaktionen durchweg positiv sind. Ein Rechtsanwalt habe ihn angerufen: „Da hatte ich zunächst Bedenken, dass die Veröffentlichung doch ein Nachspiel hat, aber mit den Konsequenzen hätte ich dann leben müssen.“ Tatsächlich habe sich der türkisch-stämmige Jurist aber einfach bei ihm bedankt.

Beuth kann die „riesige Welle“ um seine Antwort nicht ganz verstehen: „Ich finde nichts Besonderes dabei“, sagt er. Seine Reaktion ist für ihn selbstverständlich. „Dafür lobgepriesen zu werden, ist übertrieben.“

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