Körperverletzung

Zitronen-Desinfektion vor BGH dpa, 11.11.2010 17:34 Uhr

Berlin - 

Ein ehemaliger Klinikchef hatte die Wunde einer frisch operierten Patientin mit ausgepresstem Zitronensaft behandelt - nun beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit dem Fall. Die damals 80-jährige Patienten war später an den Folgen der Darmoperation gestorben. Der Chefarzt, der auch Besitzer und ärztlicher Direktor der Klinik im nordrhein-westfälischen Wegberg war, wurde im Januar vom Landgericht Mönchengladbach wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen und zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Der Arzt hatte der Patientin nach der Operation Antibiotika gegeben und außerdem mit Zitronensaft getränkte Streifen in die Wunde gelegt. Später spülte er die Wunde mehrmals mit Zitronensaft aus. Helferinnen hatten dafür in der Stationsküche unter unsterilen Bedingungen eine Zitrone aufgepresst. Der Arzt war von der keimtötenden Wirkung des Saftes überzeugt.

Die Ärzte hatten die Frau vor der Operation über die Risiken des Eingriffs und der Narkose aufgeklärt - nicht aber darüber, dass die Wunde bei Heilungsstörungen mit unsteril gewonnenem Zitronensaft behandelt werden würde. „Der Angeklagte wusste, dass er dies eigentlich hätte tun müssen“, sagte der Vorsitzende Richter am BGH. Wäre die Patientin darauf hingewiesen worden, dass in dem Krankenhaus Zitronensaftspülungen üblich sind, hätte sie der Operation nicht zugestimmt, so der Richter.

Der Zustand der 80-Jährigen verschlechterte sich nach der ersten Operation dramatisch, ein zweiter Eingriff wurde nötig. Später starb die Frau an septischem Herz-Kreislauf-Versagen. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Zitronensaft die Ursache für den Tod war. Dies war vielmehr die Entzündung der Wunde aus der ersten Operation. „Der Senat wird sich jedoch Gedanken machen müssen, ob die Zitronensaftbehandlung tatsächlich Körperverletzung war“, sagte der Vorsitzende Richter.

Der Verteidiger des Arztes hob diesen Punkt hervor. „Der Tod ist die bedauerliche Folge der Erkrankung und daher niemandem zurechenbar“, sagte er. Nicht die Zitrone sei die Ursache gewesen. Seiner Ansicht nach komme daher höchstens eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung in Betracht.

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft hielt ihm entgegen, dass ein Arzt seine Patienten stets auch über die Wundbehandlungsmethoden nach einer Operation aufklären müsse - „umso mehr, wenn es sich um eine völlig unübliche, unerforschte Methode mit einer handelsüblichen unsterilen Zitrone handelt.“

Der Ex-Chefarzt muss sich derzeit in einem zweiten Prozess wegen des Vorwurfs der Körperverletzung an 17 weiteren Patienten verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, für den Tod von sieben Patienten und für zahlreiche weitere Fälle von Körperverletzung verantwortlich zu sein. Er habe aus Profitstreben seinen Patienten gesunde Organe entnommen und an teuren Medikamenten gespart, so die Anklage.