Arzneimittellogistik

Zipline: Großhändler mit Drohnen

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Berlin -

Die Lieferung von Arzneimitteln per Drohne rückt immer mehr in greifbare Nähe. Dass die technische Umsetzung keine Zukunftsmusik mehr ist, zeigt das kalifornische Start-up Zipline. Es hat nicht nur ein eigenes Drohnensystem zur Medikamentenanlieferung entwickelt, es versorgt bereits ein ganzes Land mit Arzneimitteln: Seit 2016 betreibt Zipline zwei Startvorrichtungen in Ruanda und deckt damit das gesamte Staatsgebiet ab. Fast 15.000 Flüge hat das Unternehmen dort bereits absolviert und so nach eigenen Angaben schon tausende Leben gerettet. Als nächstes will Zipline in andere Länder expandieren.

Die Technik hinter den Zipline-Drohnen ist nicht einfach, aber genial: Die modular aufgebauten Miniflugzeuge werden von einer Rampe abgeschossen und von einer Reißleine wieder eingefangen. Arzneimittel und Blutkonserven befinden sich in einem Karton im Bauch des Geräts. Bei der Auslieferung landet es nicht, sondern wirft das Paket aus einer Luke am Boden ab. Ein Fallschirm sorgt dafür, dass beim Aufprall nichts von der bis zu 1,8 Kilogramm schweren Fracht zu Bruch geht. Lediglich die Fläche von zwei Autoparkplätzen ist als Abwurfzone vonnöten. Am hinteren Ende der Drohne befindet sich ein kleiner Fanghaken. Auf dem Rückflug steuert das Fluggerät dann mittels zentimetergenauer Sensoren einen Draht an, der zwischen zwei Gerüsten gespannt ist und es quasi aus der Luft fischt.

Warum das relevant ist? Das Fluggerät braucht keine Start- und Landebahn, nicht einmal für die Auslieferung, und ist damit unabhängig von Boden- und Wetterbedingungen. Das war für den Einsatzort in Ruanda entscheidend. Denn zwar ist das Land nur so groß wie Hessen, doch aufgrund der bergigen Landschaft, der desolaten Lage der Infrastruktur und der klimatischen Bedingungen ist die Belieferung mit Arzneimitteln in vielen Regionen gar nicht oder nur mit großer – oft zu großer – Verzögerung möglich. Insbesondere während der Regenzeit sind viele Straßen überschwemmt und nicht passierbar.

Die Zipline-Drohnen werden deshalb nach Angaben des Unternehmens bei rund einem Drittel der Flüge in Notfällen eingesetzt, wenn es also auf eine minutenschnelle Versorgung mit Arzneimitteln ankommt. Im Durchschnitt dauert es von der Benachrichtigung – die telefonisch, über Whatsapp, E-Mail oder SMS erfolgen kann – bis zur Auslieferung rund 30 Minuten, selbst das entlegenste Krankenhaus des Landes sei in maximal einer Stunde erreichbar, brüstet sich Zipline. Die Maschinen haben bei einer Geschwindigkeit von bis zu 110 km/h eine Reichweite von maximal 160 Kilometern. Mit zwei Flugplätzen kann Zipline so das ganze Land abdecken. Das Liefersortiment umfasst bereits mehrere hundert verschiedene Arzneimittel. Besondere Bedeutung komme deshalb der Logistik zu, betont Zipline-CEO Keller Rinaudo. Denn es gehe nicht mehr nur um Einzellieferungen, die eine Drohne schnell verbringen muss, sondern um breitflächige Arzneimittelversorgung in strukturschwachen Räumen.

Und ein dritter Flugplatz ist bereits gebaut: im westafrikanischen Ghana. Dort ist die Situation der Infrastruktur ähnlich schlecht, sodass Staatspräsident Nana Akufo-Addo im April einen Vertrag mit dem Start-up aus Half Moon Bay unterschrieben hat. Am 24. April hob der erste Zipline-Flug ab, eine Lieferung von Impfstoffen gegen Gelbfieber. Drei weitere Flugplätze in Ghana sollen folgen. Dann will Zipline insgesamt 2000 Gesundheitseinrichtungen und rund 12 Millionen Menschen mit Arzneimitteln versorgen. 120 Drohnen sollen bis zu 600 Flüge am Tag absolvieren.

Zipline übersteigt damit deutlich die Kapazitäten des Projekts, bei dem die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Post und dem Drohnenbauer Wingcopter in Tansania Arzneimittellieferungen aus der Luft erprobt haben. Auch in Deutschland beobachtet man deshalb vor allem die Weiterentwicklung der Logistik hinter der Drohnenbelieferung. Branchenkenner sagen vorher, dass Drohnen das Potenzial haben, das Versandgeschäft zu revolutionieren – nicht nur in puncto Geschwindigkeit, sondern auch mit Blick auf die Kosten. DHL hat bereits die Medikamentenlieferung per Drohne getestet – in den Alpen und an der Nordsee. Im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird bereits an einer Überarbeitung der Luftverkehrs-Ordnung im Bereich der unbemannten Luftfahrt gefeilt – unter anderem mit Blick auf die Distributionslogistik bei der Lieferung von Arzneimitteln und Blutkonserven. Auch die US-Luftfahrtbehörde FAA arbeitet bereits daran, Leitlinien für die Luftraumregulierung so anzupassen, dass Drohnenlieferungen in der breiten Masse möglich werden. Erst am Mittwoch kündigte Amazon an, in den USA bereits in wenigen Monaten mit der Auslieferung per Drohne beginnen zu wollen.

Für Zipline soll das nächste Ziel nach Ruanda und Ghana dementsprechend auch kein weiteres afrikanisches Land sein, sondern die USA. Dort baut das Unternehmen in einer ländlichen Region an einem Logistik- und Startzentrum, mit dem es in einer Pilotphase bis zu 40 Kliniken beliefern will. Ein ähnliches Projekt ist in North Carolina geplant. „Die Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten ist in jedem Land eine Herausforderung, auch in den USA“, zitiert das Technikmagazin Wired Rinaudo. „Deshalb sieht man jetzt, wie weitaus größere und wohlhabendere Länder Ruanda als Vorbild nehmen.“ Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland.

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