Mundhygiene

Zahnseide: Medizinischer Nutzen kaum bewiesen

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Berlin -

Zahnarztverbände und die amerikanische Regierung empfehlen seit Jahrzehnten Zahnseide. Das dünne weiße Band soll die Zahnzwischenräume reinigen und Zahnfleischerkrankungen vorbeugen. Das Gesundheitsministerium hat die gesundheitliche Empfehlung jetzt zurückgenommen. Es gebe nur wenig Belege dafür, dass die tägliche Verwendung von Zahnseide einen medizinischen Nutzen habe.

Die Regierung veröffentlicht alle fünf Jahre die sogenannten „Dietary Guidelines“. Das sind Berichte über aktuellste Ernährungsrichtlinien. Diese müssen laut Gesetz wissenschaftlich bewiesen sein. Hierzulande gibt es solche Empfehlungen nicht. Zahnseide galt darin jahrelang – und offenbar unumstritten – als ergänzende Zahnreinigungsmethode.

Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wendeten sich im vergangenen Jahr an das Gesundheitsministerium. Sie forderten den wissenschaftlich plausiblen Nachweis vom Nutzen der Zahnseide ein, stellten dazu schriftliche Anfragen. Als die jüngsten Richtlinien bekannt wurden, waren die Empfehlungen für die ergänzende Zahnreinigung mit Zahnseide ohne jeglichen Hinweis verschwunden. In einem Brief teilte die Regierung den Journalisten offenbar mit, dass die Wirksamkeit der Zahnseide nie – wie vorgeschrieben – erforscht worden war.

AP verglich die Forschung zur Verwendung von Zahnbürsten in Kombination mit Zahnseide der vergangenen 25 Jahre. „Die Beweis- und Studienlage für das Reinigen der Zähne mit Seide ist entweder „schwach“, „sehr unzuverlässig“, „von geringer Qualität“ oder trägt des Öfteren ein gemäßigtes bis großes Potenzial an Verzerrung in sich“, schreibt AP-Investigativjournalist Jeff Donn.

Die zwei führenden Lobbygruppen – die American Dental Association (ADA) und die American Academy of Periodontolgy – zitieren hingegen andere Studien, die ihren Standpunkt vertreten: Zahnseide verhindere die Bildung von Plaque, Karies und Zahnfleischentzündung (Gingivitis). „Allerdings verwendeten jene Studien veraltete Methoden oder testeten nur wenige Personen. Einige dauerten nur zwei Wochen – in der Zeit kann sich kein Loch im Zahn oder eine Erkrankung entwickeln“, schreibt Donn.

Laut AP wird der weltweite Markt für Zahnseideprodukte im kommenden Jahr fast zwei Milliarden US-Dollar schwer sein. Marktbeherrschende Unternehmen wie Proctor & Gamble oder Johnson & Johnson würden keinen überzeugenden Nachweis für den medizinischen Nutzen von Zahnseide erbringen. Vielmehr – so der Vorwurf von AP – habe die Industrie die meisten Studien bezahlt und manchmal sogar entworfen und durchgeführt.

Seit 1930 prüft die ADA neue Zahnpflegeprodukte und vergibt bei positiven Ergebnissen ein Gütesiegel, den sogenannten „Seal of Acceptance“. Der Zahnärzteverband wirbt mit diesem Zertifikat, es würde das Kaufverhalten der Konsumenten positiv beeinflussen. Die AP-Journalisten witterten hier eine partnerschaftliche Zusammenarbeit: Jeder Hersteller würde zunächst 14.500 Dollar für die Beurteilung des Produkts bezahlen. Genehmigt die ADA das Gütesiegel, würde eine zusätzliche Gebühr von 3500 Dollar pro Jahr fällig. Die ADA streite es rigoros ab, mit dem Programm Gewinn zu machen, heißt es bei AP.

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