Oft ist es eine verhängnisvolle Überdosis, manchmal ein mysteriöser Mix: Illegale Drogen haben erstmals wieder etwas weniger Menschen in Deutschland das Leben gekostet. Nach vier Jahren mit Zunahmen in Folge sank die Zahl der Drogentoten 2017 leicht auf 1272, wie die Bundesbeauftragte Marlene Mortler bilanzierte. Trotz des Rückgangs um fast fünf Prozent im Vergleich zu 2016 sieht sie aber keinen Grund zur Entwarnung – im Gegenteil. Zu schaffen machen Experten auch neue, schwer analysierbare Substanzen.
Hauptursache für einen Drogentod sind nach wie vor Überdosierungen von Opioiden wie Heroin und Morphin, wie der Leiter des Instituts für Therapieforschung in München, Professor Dr. Ludwig Kraus, erläuterte. Darauf gingen laut Statistik jetzt 707 Todesfälle zurück, nachdem die Zahl im Jahr zuvor bei 789 gelegen hatte. Oft waren auch noch andere Substanzen im Spiel, die zeitgleich oder direkt im Anschluss konsumiert wurden. Bei Kokain und Crack stieg die Zahl der Toten dagegen nun von 71 auf 87.
Mit Sorge beobachten Fachleute eine immer größere Palette neuer meist synthetischer Wirkstoffe, die teils auch noch unter falschen Angaben angeboten werden. Keiner wisse so genau, was in neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) drinstecke, sagt Professor Kraus. „Das ist eine Blackbox.“ Anders als bei den akuten Vergiftungen stieg die Zahl der Abhängigen, die nach Langzeitschäden starben, jetzt von 154 auf 178.
Besonders im Blick stehen weiterhin vor allem Männer, die schon seit einiger Zeit zu illegalen Substanzen greifen. Rund 85 Prozent aller Drogentoten sind männlich, wobei das Durchschnittsalter mehr und mehr steigt – von 36 Jahren 2008 auf nunmehr 39 Jahre. Eine vergleichbare größere Risikogruppe unter sehr jungen Leuten machen die Experten zumindest bisher nicht aus: Unter den Drogentoten 2017 waren nur 30 unter 20 Jahre alt – mehr als 900 waren dagegen 30 Jahre und älter.
Ob sich der Rückgang insgesamt verfestigt, muss sich erst zeigen. Experten sind lieber vorsichtig. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Drogentoten in neun der 16 Länder zurück. Mehr wurden in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Thüringen registriert – im Saarland blieb die Zahl stabil. Je 100.000 Einwohner die meisten Toten gab es in Berlin, die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern.
Überhaupt sei die etwas positivere Bilanz kein Grund zur Freude, sagt Mortler. Auch die aktuelle Zahl stehe für unermessliches Leid und 1272 Lebenswege, die anders verlaufen seien, als man es sich gewünscht habe. Nötig sei weiter engagierte Vorbeugung, für die Kommunen auch genug Geld bereitstellen müssten. „Es gilt, suchtkranke Menschen noch deutlich früher zu erreichen als bisher.“ Zu oft seien Leben schon aus der Bahn geraten und der Job und die Familie weg. Bewährt hätten sich Therapien mit Ersatzstoffen, an die Patienten überall leichter herankommen müssten. Aufklärung gehöre auch in Firmen und Schulen.
Die FDP will auch grundlegend neue Ansätze. „Die auf Strafverfolgung basierende Drogenpolitik ist gescheitert“, sagt der suchtpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Wieland Schinnenburg. Sinnvoll wäre eine kontrolliert Abgabe etwa von Cannabis in Apotheken und anderen speziell lizensierten Stellen. Die Bundesbeauftragte Mortler lenkt den Blick auch auf legale Drogen wie Tabak und Alkohol und rund drei Millionen Kinder, die in Familien mit Suchtproblemen aufwachsen. „Sucht darf nicht das am besten gehütete Familiengeheimnis sein.“
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