„Der Apotheker ist wie ein zweiter Arzt" Torsten Bless, 25.09.2017 13:12 Uhr
Vieles am deutschen Gesundheitssystem im Allgemeinen und an den deutschen Apotheken im Besonderen sei schon sehr gewöhnungsbedürftig, sagt YouTube-Vloggerin Dana Newman. Und doch will die in München lebende US-Bürgerin den Krankenversicherungsschutz hier nicht mehr missen.
Schon ihr Leben lang habe es sie nach Europa gezogen, erzählt Newman. „Unser familiären Wurzeln liegen in Tschechien, meine Mutter gehört zur ersten Generation, die in den USA geboren ist. Bei uns daheim wurde viel tschechisch gesprochen und gekocht. Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.“ Im Oktober 2008 gab sie dem Verlangen nach und zog nach Prag. „Ich hatte kein Visum, keine Arbeit und konnte die Sprache nicht sprechen. Das war sehr nervenaufreibend, aber ich wollte mich ins Abenteuer stürzen.“ Entsprechend benannte sie auch ihren ersten Blog: „Well I guess, I said I wanted an adventure ...“
Nur ein gutes Jahr sollte sie es im Land ihrer Ahnen halten. Bei einem Abstecher nach München lernte sie Stefan kennen. „Zuerst führten wir so etwas wie eine Entfernungsbeziehung, aber dann beschlossen wir zusammenzuziehen.“ In ihrem Blog stand jetzt häufiger etwas über ihren „Mr German Boy“ zu lesen. „Dann begann YouTube ein ganz großes Ding zu werden. Ich dachte mir, vielleicht sollte ich kurze Reisevideos drehen.“ In Drei-Minuten-Filmen nahm sie ihre Zuschauer mit ins Münchner In-Bistros, aufs Oktoberfest oder nach Norwegen. „Die Videos waren schnell gedreht, jedes endete mit einem Verweis auf meinen Blog.“
Nach einem Jahr verlor sie das Interesse an Blog und YouTube. „Erst 2014 habe ich mir meine Kamera wieder angesehen und bekam Lust. Ich wollte aber nicht nur sporadisch Videos machen, sondern regelmäßig, und statt kleinen verwackelten Reisevideos eine ganze Serie über meine Erfahrungen in Deutschland machen.“ So entstanden lockere Erzählstücke für ihre Landsleute über Unterschiede in Kultur, Sprache und Gesellschaft, geschmückt mit eigenen Erfahrungen und Kuriositäten aus dem Alltag.
Über 300 Videos hat sie schon auf YouTube gepostet. An jedem Mittwoch und Sonntag hält ihr Kanal „Wanted Adventure“ neues Futter für ihre Fans bereit. Die Resonanz sei groß, freut sich Newman. „In den Kommentaren erzählen die User von ihren eigenen Erfahrungen, entweder in Deutschland oder in anderen Ländern. Ich bin sehr glücklich, dass es da einen regen Austausch gibt.“
Gleich zwei Videos befassten sich in den letzten Wochen mit dem Gesundheitssystem, eines davon erzählte vom Arztbesuch, das andere wog die Vor- und Nachteile des deutschen und des US-Apothekensystems gegeneinander auf. Gerade der Aufenthalt in der Praxis sei für sie erst höchst gewöhnungsbedürftig gewesen. „In den USA achten sie peinlich genau auf die Achtung der Intimsphäre. Sie geben dir einen Papierumhang, verlassen dann den Raum und geben dir die Zeit, die du brauchst. Bevor sie den Raum wieder betreten, klopfen sie erst mal an und fragen vorsichtig nach.“ Nicht so in Deutschland: „Hier bleibt der Arzt dabei, wenn ich mich ausziehe. Irgendwo ist das auch verständlich, schließlich ist es ja der Sinn eines Arztbesuchs, dass er dich genau untersucht.“
Auch an seine Medikamente zu kommen, sei in Deutschland nicht immer leicht. In der alten Heimat seien OTC-Medikamente auch in Drogerien, Lebensmittelgeschäften und sogar an Tankstellen erhältlich. In Deutschland dagegen sei allein die Apotheke zuständig, alle Medikamente würden hinter dem HV-Tisch aufbewahrt und seien nicht frei zum Vergleich verfügbar, was sich vor allem beim Preis bemerkbar mache. „Hier muss ich viel selbst im Internet recherchieren, was ein wenig eingeschränkt ist, weil ich ja das gesamte Angebot nicht kenne. Wenn ich mit meinen möglichen Alternativen zurück in die Apotheke komme, heißt es häufig: ‚Oh, das Mittel ist eigentlich für eine völlig andere Indikation bestimmt, aber sie haben recht, dafür können sie es auch verwenden‘.“
Und doch sei die Beratungsleistung in Deutschland wesentlich besser als in der alten Heimat: „In den USA gibt es lange Schlangen, es werden gerade mal genug Leute eingestellt, um die Rezepte zu bearbeiten“, hat sie erfahren. „Der Apotheker hier nimmt sich dagegen auch bei OTC-Mitteln viel Zeit, um dir die Anwendungen und mögliche Risiken und Nebenwirkungen zu erklären. „Das fühlt sich so an, als wäre der Apotheker ein zweiter Arzt.“
Überhaupt singt Newman gerne das Hohelied des gesetzlichen Gesundheitssystems. „Ich bin ganz definitiv für eine allgemeine Krankenversicherung, es gab so viele Situationen, in denen ich froh und dankbar darüber war.“ In den USA, noch in den Zeiten vor Obamacare, sei es wesentlich schwieriger gewesen, sich abzusichern. „Ich hatte meinen eigenen Versicherungsplan“, erzählt sie. „Bei jedem Arztbesuch musste ich 20 Dollar zahlen. Auch für die Ausfertigung jedes einzelnen Rezepts musste ich zuzahlen, der Betrag war abhängig von den verschriebenen Mitteln.“ In Tschechien sei sie automatisch über ihre Arbeitsstelle krankenversichert gewesen. „Niemand musste da für den Arztbesuch oder seine verschreibungspflichtigen Medikamente zahlen.“ Ähnliches erfuhr sie in Deutschland. „Hier habe ich eine Krankenversicherung über meinen Mr. German Man.“
Mit ihren YouTube-Videos verdient Newman mittlerweile etwas Geld, „noch kein Vermögen“, räumt sie freimütig ein. Doch auch für den Telekolleg des Bayerischen Rundfunks ist sie mit Sprachvideos tätig und verkauft eine eigene T-Shirt-Linie. Viele Eisen habe sie im Feuer.