Produktion in armen Ländern

WTO streicht Patente für Covid-Impfstoffe

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Genf -

Die Welthandelsorganisation (WTO) will Patente für Corona-Impfstoffe aussetzen, um so die Produktion in armen Ländern zu fördern. Die Industrie ist entsetzt.

Bei einem Ministertreffen der WTO-Länder in Genf einigten sich die Vertreter:innen von 164 Staaten auf eine Vereinbarung zur befristeten Aufhebung von Patenten für Corona-Impfstoffe. Dadurch soll es Unternehmen in armen Staaten möglich werden, Impfstoffe gegen Covid-19 herzustellen. Firmen in diesen Regionen können damit Verfahren nutzen, die bereits etablierte Hersteller anwenden.

Durch das sogenannte TRIPS-Waiver-Verfahren können Hersteller nun ohne Verhandlungen über freiwillige Lizenzen das Rezept für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen nutzen und Verfahren anwenden. Die Vorsitzende Ngozi Okonjo-Iweala zog ein positives Fazit. Eine Entscheidung zur Aufhebung geistigen Eigentums auf Arzneimittel und Diagnoseverfahren steht aktuell noch aus.

Pharmahersteller skeptisch

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) steht dem Beschluss der WTO skeptisch gegenüber. Die Freigabe von Patenten im Rahmen der derzeitigen Pandemiesituation sei nicht sinnvoll und zudem kaum in der gebotenen Eile umzusetzen. „Den Patentschutz bei Covid-19-Impfstoffen aufzugeben, wird die derzeitigen Herausforderungen in der globalen Impfstoffversorgung nicht lösen“, sagte Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. „Die Impfstoffe werden dadurch weltweit nicht schneller verfügbar. Der Schlüssel liegt dagegen in Lizenzen zum massiven Ausbau der Produktionskapazitäten.“

Dass Hersteller in bestimmten Ländern auf die Durchsetzung ihrer Patentrechte verzichten, sei in außergewöhnlichen Fällen nachvollziehbar, so Joachimsen. Dies dürfe jedoch nicht in einer globalen Aussetzung des Patentschutzes münden. „Die Impfstoff-Herstellung ist ein sehr komplexer Prozess. Die dafür notwendige Technologie und die Schulungsmöglichkeiten haben nur wenige Unternehmen und erfordern jahrelange Praxis im Umgang mit der entsprechenden Technologie. Insofern würde eine Zwangslizensierung zu anderen Herstellern mindestens zwölf Monate oder länger dauern, bis aus dieser Fertigung ein sicherer, qualitativ hochwertiger und hochwirksamer Impfstoff zur Verfügung steht.“

„Hinzu kommt, dass Pharmaunternehmen auch künftig bereit sein müssen, Geld in die teure und risikoreiche Entwicklung hochkomplexer Impfstoffe zu investieren. Diese Investitionen werden durch Anreizsysteme gefördert und honorieren Forschungsaufwand sowie Entwicklungsrisiko. Muss ein Unternehmen befürchten, dass der Ausgleich von Incentivierung und Investition nicht stattfindet, wird es von der Entwicklung weiterer Innovationen absehen. Dies würde nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit Europas bei der Spitzenforschung schwächen“, so Joachimsen.

Als Königsweg sieht er die Lizenzvergabe und weltweite Ausweitung der Produktion, die längst praktiziert werde: „Die Impfstoffhersteller tun derzeit alles, um die Produktion auszuweiten. Und das, obwohl wir mit massiven Lieferengpässen und Mangel bei Ausgangsstoffen konfrontiert sind. Diese Herausforderungen löst auch keine Patentfreigabe.“

Auch vom EU-Pharmaverband EFPIA kam Kritik: „Die Entscheidung ist ein ernsthafter Rückschritt in unserer kollektiven Fähigkeit, die Covid-19-Pandemie und zukünftige globale Gesundheitsbedrohungen zu bewältigen“, so Generaldirektorin Nathalie Moll. „Die letzten zwei Jahre haben deutlich gemacht, dass die einzig wirksame Reaktion auf Pandemien auf Forschung, Entwicklung und Innovation beruht. Diese Reaktionsfähigkeit basiert auf einem soliden IP-Framework.“

Die Entscheidung sende nicht nur ein gefährliches Signal an die Pharmaindustrie, sondern an alle innovativen Branchen. Mit bisher 13,9 Milliarden produzierten Covid-19-Impfdosen habe die Industrie in einzigartiger Art und Weise die Pandemiebekämpfung unterstützt. Es gebe mehr als 380 freiwillige Partnerschaften zur Herstellung von Covid-Impfstoffen, von denen 88 Prozent Technologietransfer beinhalteten.

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