BMG-Datenaffäre

Worüber reden wir hier eigentlich? Alexander Müller, 30.11.2018 14:40 Uhr

Berlin - 

Volle 30 Termine haben vor dem Landgericht Berlin im Verfahren um den mutmaßlichen Datenklau aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) mittlerweile stattgefunden. Das Ende kommt langsam in Sicht, auch wenn die Plädoyers vermutlich nicht mehr in diesem Jahr gehalten werden. Geradezu bezeichnend: Heute wurde erneut darüber debattiert, welche Straftat überhaupt vorliegen soll.

Christoph H., einem ehemaligen IT-Administrator im BMG, wird vorgeworfen, E-Mails und andere vertrauliche Daten aus dem Ministerium gestohlen zu haben. Dem Mitangeklagten Thomas Bellartz wird zur Last gelegt, die Daten gekauft zu haben.

Doch aus Sicht der Verteidigung kann von Diebstahl gar keine Rede sein, da es quasi keinerlei Sicherungsmethoden im BMG gab. Das Argument: Wer den Schlüssel hat, kann gar nicht klauen. Übertragen auf eine Apotheke könnte man etwa eine Angestellte, die Medikamente mitgehen lässt, nur wegen Unterschlagung belangen.

Auf Antrag von Bellartz‘ Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner wurde heute eine E-Mail des Chefermittlers an die Staatsanwältin aus dem April 2014 verlesen, in der es um eine Anfrage des BMG an das Landeskriminalamt (LKA) zur Verbesserung des eigenen Sicherheitskonzepts ging. Der Verteidiger wollte die damals Beteiligten gerne als Zeugen vernommen wissen, was das Gericht aber ablehnte.

Eine Bewertung der Zeugen, ob es eine Zugangssicherung im BMG gab, sei nicht notwendig, so der Richter. „Welche Tatsachen sollen die belegen? Was meinen Sie mit technischer Zugangssicherung?“ Wegner möge seinen Antrag bitte konkretisieren. Der Rechtsanwalt gab zurück, dass nicht einmal die Anklage das sauber beschreibe. „Sonst müsste ich ja nicht fragen.“ Vermutlich wird diese Frage am nächsten Verhandlungstermin am 14. Dezember weiter erörtert.

Der Vorsitzende Richter hatte heute auf Antrag der Verteidigung außerdem eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung aus dem Jahr 2014 verlesen. Darin hieß es H. habe sich „unter missbräuchlicher Verwendung von Zugangsdaten“, Informationen aus dem Ministerium besorgt. Für Rechtsanwalt Wegner ist das ein weiterer Beleg, dass selbst die Staatsanwaltschaft davon ausgehe, dass H. die notwendigen technischen Möglichkeiten hatte. Wenn der IT-Administrator darum nicht gemäß § 202a StGB verurteilt werden kann, würde automatisch auch eine Mittäterschaft oder Anstiftung entfallen.

Ansonsten ging es am heutigen Verhandlungstag nicht um den vermeintlichen Datendiebstahl. H. wird außerhalb dieses Tatbestandes noch der Besitz kinderpornografischen Materials zur Last gelegt. Sein Verteidiger Nikolai Venn gab heute in seinem Namen eine Erklärung ab.

Demnach habe H. in der Vergangenheit mittels Schlagwortsuche in sogenannten Newsgroups in großen Mengen pornografische Inhalte aus dem Netz heruntergeladen. Über diese „schwarzen Bretter“ seien die Dateien dabei vorerst nur als Text codiert zu sehen gewesen. Um Speicherplatz auf seinem Rechner frei zu schaffen, habe H. die Dateien auf die später beschlagnahmten Datenträger gebrannt. Dass sich unter den wahllos heruntergeladenen Dateien auch kinderpornografisches Material befunden hatte, sei H. erst mit Akteneinsicht in dem Verfahren bekannt geworden. Aktiv danach gesucht habe er nie. Venn stellte als Beweisantrag, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden möge. Der Experte soll bestätigen, dass die Dateien einheitlich – also mit demselben Zeitstempel – und pauschal heruntergeladen wurden und seitdem ungeöffnet geblieben seien. Das Gericht will hierzu beim nächsten Termin Stellung beziehen.