Filialapotheker

„Wir sind die Inhaber von morgen“

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Berlin -

Vier Jahre hat Christine Weber als junge Filialleiterin eine Apotheke geführt – dabei Erfahrungen gesammelt und die Probleme junger Pharmazeuten mit der unternehmerischen Verantwortung hautnah kennen gelernt. Daraus ist der „Qualitätszirkel Filiale“ der Apothekerkammer Westfalen-Lippe entstanden, für deren Einrichtung der Kammervorstand votiert hat. Hier tauschen junge Filial-Apotheker ihre Erfahrungen aus, bilden sich fort und vernetzen sich: „Die Vernetzung der Kollegenschaft im persönlichen Kontakt spielt dabei eine zentrale Rolle, denn hierin stärkt sich die Apotheke in ihrer besonderen Versorgungsleistung“, sagt Weber, die als Vorstandsmitglied der Kammer den Qualitätszirkel inhaltlich betreut. Die Organisation läuft über die Kammergeschäftsstelle.

„Wenn man als junger Pharmazeut als Filialleiter ins kalte Wasser geworfen wird, steht man vor einem Berg von neuen Aufgaben, unbekannten Herausforderungen und Problemen“, weiß Weber aus eigener Erfahrung. Nach dem Studium machte sie sich vier Jahre in einer öffentlichen Apotheke mit der Praxis vertraut, absolvierte die Fortbildung zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie. Weber: „Damit fühlte ich mich für den Antritt meiner ersten Stelle als Filialleiterin gewappnet.“

Dabei hat sie erfahren, dass Angebote für die Vorbereitung auf eine Filialleitungsstelle verhältnismäßig rar gesät sind. Für empfehlenswert hält Weber heute neben der Qualifikation als Fachapotheker für Allgemeinpharmazie ein BWL-Seminar für Filialleiter: „Ich hatte vorher noch nie eine betriebswirtschaftliche Auswertung gelesen – natürlich wollte ich alles lernen, was notwendig ist, um meiner Verantwortung gerecht zu werden.“ Ihr damaliger Chef hatte versprochen, ihr alles zu erklären. Doch das klappte im laufenden Betrieb der Apotheke nicht so, wie es notwendig gewesen wäre.

„Ich war froh über den zentralen Einkauf“, so Weber. Mit der Beratung der Patienten gab es keine Probleme. Da hatte sie freie Hand. Aber nach einiger Zeit musste sie feststellen, dass sie nie Gelegenheit hatte, etwas über die Finanzen des Betriebes zu lernen. „Ich war sehr unsicher, wie ich verschiedene alltägliche Problemstellungen lösen sollte, was angeschafft werden durfte.“ Die Vertreter der Großhändler und Arzneimittelhersteller gingen immer nur in die Hauptapotheke. Die Informationen von dort flossen nur spärlich in die Filiale.

„Für die Stellung des Filialleiters ist es aber ausgesprochen wichtig, genauere Absprachen zu treffen“, sagt Weber heute und empfiehlt eine exakte Stellenbeschreibung im Arbeitsvertrag zu regeln: vom Einblick in die Betriebsdaten über die Sortimentsgestaltung bis hin zu Abspracheregelungen mit dem Inhaber. Weber: „Klarheit über Strategie und Wertestruktur der Apotheke zu erhalten ist wichtig, um mit dem eigenen Führungsstil den Inhaber in seinem Sinne zu unterstützen.“

Den Durchbruch habe ihr ein zunächst regelmäßiges wöchentliches Treffen mit dem Inhaber gebracht. „Ich habe ein festes monatliches Budget für kleinere Ausgaben erhalten und konnte mit einigen Außendienstmitarbeitern selbst verhandeln.“ Den Kunden angeboten wurde daraufhin auch eine Produktlinie, die es in der Hauptapotheke nicht gab. „Endlich lieferte der Außendienst fachliche Information direkt bei uns ab. Ich habe mit dem Inhaber auch gemeinsam die Arztpraxis aufgesucht und seitdem wurde von Seiten der Arztpraxis immer öfter aktiv Rat bei mir eingeholt“, beschreibt Weber die positiven Auswirkungen der Vereinbarung: „Seitdem gibt es Treffen mit dem Inhaber nur noch nach Bedarf.“

Filialleiter müssten als Apotheker nicht nur fachlich hervorragend sein, es seien auch Führungsqualitäten gefragt. Weber: „Diese Kompetenz auszubilden, das ist eine großartige Herausforderung, zumal sowohl die Teamführung also auch die Vermittlung zu den anderen Teams und dem Inhaber Teil der Aufgabe sind.“

Aber es gibt noch andere Herausforderungen, denen sich Filialleiter stellen müssen: Betriebshaftpflicht, Amtsapotheker, Berufsgenossenschaft, Labor, Rezeptur, Betäubungsmittel. Auch Rechtssicherheit ist ein großes Bedürfnis für alle Filialleiter und die Aufklärung darüber nicht trivial. „Der Amtsapotheker kam am Tag nach Neujahr, direkt nach einem fünftägigen Betriebsurlaub, damals noch unangekündigt. Es lief zwar gut. Aber die Sache mit der Berufsgenossenschahft habe ich mir nochmal genauer angeschaut“, erzählt Weber.

Daraus ist die Idee für ein Unterstützungskonzept für Filialleiter entstanden. Von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde der Bedarf geprüft und in einem Kreativ-Workshop mit circa 100 Teilnehmern entstand der „Qualitätszirkel Filiale“. „Der Erfahrungsaustausch für Filialleiter untereinander und die Vernetzung durch den persönlichen Austausch hat sich als große Hilfe erwiesen und als Bereicherung in der Berufsausübung“, so Weber nach zwei Jahren Arbeit, „von den Erfahrungen anderer profitieren zu können ist von unschätzbarem Wert. Wenn Inhaber und leitende Approbierte gut zusammen arbeiten ist eine qualitativ hochwertige pharmazeutische Versorgung in einem für das Unternehmen bestmöglichen Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit am wahrscheinlichsten.“ „Und der Austausch mit anderen tut einfach gut und macht Spaß.“

Inzwischen gibt es im Kammerbezirk Westfalen-Lippe drei „Qualitätszirkel Filiale“ mit regelmäßigen Treffen in Bielefeld, Bochum und Münster. Maximal zwölf bis fünfzehn Apotheker nehmen daran teil und erfahrende Kolleginnen und Kollegen werden für die Moderation der Zirkel zusätzlich geschult. „Die Erfahrungen, die wir als Moderatoren sammeln und die Ergebnisse aus der Arbeit der Zirkel wie beispielsweise die Stellenbeschreibung kommen durch die enge Zusammenarbeit mit der Kammergeschäftsstelle allen Kolleginnen und Kollegen zugute“. Die Apothekerkammer unterstützt das Projekt ebenso wie der Großhändler Sanacorp: „Wir sind die Inhaber von morgen“, sagte Weber selbstbewusst und wünscht sich noch mehr Unterstützung für die Berufsgruppe bundesweit.

Der Qualitätszirkel hilft auch bei arbeitsrechtlichen Fragen: Welches Gehalt kann ein Filialleiter verlangen? Wie geht man mit dem Notdienst um? Muss man dann zwei Tage durcharbeiten? Wie wird die studentische Kraft für die Samstagsvertretung organisiert? Dazu finden sich so gut wie keine Informationen.

„Die Stellung des Filialleiters ist einzigartig, die Verantwortung als Leiter kann ihm vom Inhaber nicht abgenommen werden“, berichtet Weber. Und Filialleiter wird es künftig immer mehr geben. Weber: „Die Apothekenstruktur im Land verändert sich und es geht einerseits um Schließungen, andererseits um das Schrumpfen der Inhaberzahlen, verknüpft mit einer wachsenden Zahl an Filialapotheken.“

Um mit der bewährten Versorgungqualität der öffentlichen Apotheke zukunftsfest zu sein, ist es aus ihrer Sicht entscheidend, „unsere eigenen Strukturen fit zu machen“. Nur so könnten Apotheker „in der Qualität standfest und einzigartig sein und zeigen, dass Versorgung, wie wir sie in der Apotheke vor Ort leisten, nicht von DocMorris erbracht werden kann“. Daher plädiert sie für professionelle Vorbereitung auf die Filialleitung: „Was in anderen Branchen längst selbstverständlich ist, bedarf bei uns der nachhaltigen Förderung: Die Zusammenarbeit von Leitung und mittlerem Management, also zwischen Inhaber und den Filialleitern und Approbierten in Führungspositionen, denn auch die Hauptapotheken wachsen in Größe und Mitarbeiterzahl.“

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