Wie 2014 hätte gewesen sein können APOTHEKE ADHOC, 27.12.2014 09:07 Uhr
Es gibt Jahre, die dürfen sich wiederholen. Immer und immer wieder. So wie für Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. 2014 gehört aus apothekerlicher Sicht wohl eher nicht dazu. Wie das Jahr eigentlich hätte sein können, zeigt der fantasievolle Jahresrückblick – mit Zukunftspotenzial.
Der neue Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte sich gleich im Januar getraut. Top beraten von seinem Staatssekretär Jens Spahn (CDU) wartete er gar nicht erst, dass ihn als neuen Chef im BMG hunderte Lobbygruppen sehen und sprechen wollten. Nein. Gröhe und Jens Spahn waren anders. Sie wollten das Heft des Handelns vom ersten Tag der Amtszeit in die Hand nehmen – und in der Hand halten.
Gröhe war von Beginn an präsent, aktiv, ein Minister der Tat. Er zauderte nicht, wollte die Gräben der Vergangenheit schließen, Zweifel ausräumen, klare Signale setzen. Und so lud er nicht nur Ärzte und Krankenkassen, sondern auch die Apotheker ins BMG ein. Sein Ziel: Die Zukunft der Gesundheitsversorgung entwickeln. Und weil das keine bloße Worthülse sein sollte, brauchte er Experten.
An seinem Frühstückstisch sollten eben nicht die Fachpolitiker der neuen schwarz-grünen Koalition Platz nehmen. Viel wichtiger war ihm der Schulterschluss mit denen, die seine Politik umsetzen müssten, also auch den Apothekern. Gröhe hatte schon kurz nach seiner Ernennung durch den Bundespräsidenten Ende 2013 mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt telefoniert. Der hatte bereits nach dem AMNOG seine FDP-Mitgliedschaft auf Eis gelegt – und war nun offen für neue Ideen.
Gröhe hatte eine Vision: Das System vom Kopf zurück auf die Füße zu stellen. Aus den Parolen der Vergangenheit, den Worthülsen und der Kampfrhetorik von Ulla Schmidt, Philipp Rösler und Daniel Bahr sollten Taten werden. Natürlich sollte der Patient im Mittelpunkt stehen. Aber Gröhe sprach mit Apothekern, Ärzten, Kassen, Kliniken, Verbraucherschützern. Er holte alle schnell an einen Tisch, der ausnahmsweise nicht rund, sondern funktional war, und bezog alle in seine Pläne mit ein.
Die Apotheker hatte Gröhe durch eine Eilanweisung begeistern können. Denn auf eine bis dahin unter Verschluss gehaltene Analyse zur Sinnhaftigkeit von Ausschreibungen für Generika bauend, setzte er die Rabattverträge der Krankenkassen mit sofortiger Wirkung aus. Das galt auch für Retaxationen. Sämtliche zurückliegenden Verfahren wurden eingestellt, offene Rechnungen beglichen. Gröhe hatte damit deutlich gemacht, was er nun von den Apothekern erwartete: Zusammenarbeit, ein Ende des Gejammers.
Der Erfolg konnte sich schnell sehen lassen. Motiviert vom neuen Leitgedanken der Kooperation, befassten sich die unterschiedlichen Berufsgruppen nicht nur mit den eigenen Partikularinteressen. Sie versuchten, die Positionen der anderen zu verstehen. Bei den Apothekern änderte sich die Marschroute dramatisch: Die gerade begonnene Leitpapierdebatte wurde noch Anfang 2014 gestoppt. Stattdessen beschlossen die Apotheker in einer erstmals durchgeführten Basisabstimmung, wie sich die Pharmazie unter der Berücksichtigung des Kooperationsgedankens entwickeln müsste und welche Schwerpunkte in der Zusammenarbeit mit Ministerium, Politik und anderen Playern vermittelt werden sollten. Mehr als 80 Prozent der rund 60.000 Pharmazeuten beteiligten sich an der Abstimmung. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.
Die Apotheker entschieden sich für eine tiefere und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ärzten (die hatten dies eine Woche zuvor ebenfalls beschlossen). Man wollte enger kooperieren und die Arzneimittelversorgung verbessern. Apotheker respektierten die Deutungshoheit und ärztliche Kompetenz ebenso wie die Ärzte umgekehrt die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker nicht in Frage stellten.
Die Apotheker stoppten sämtliche Investitionsvorhaben in Immobilien, ob von Apothekerkammern, -verbänden oder der ABDA und ihrer Tochtergesellschaften und widmeten die Mittel kurzerhand um. Das Ziel: Moderne Pharmazie zu fördern, Fort-und Weiterbildung zu unterstützen, das Image der Apotheker zu verbessern und die Eintrittskarte in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu finanzieren.
Mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde bereits im März ein neues Kommunikationssystem vereinbart. Dabei sollte sichergestellt werden, dass Fachkreise über sämtliche wichtigen Arzneimittelthemen direkt und schnell informiert würden. Medien sollten nur dann eingeschaltet werden, wenn Gefahr für Leib und Leben der Patienten entstünde. Panikmache sollte vermieden werden. Aber auch wenn Medien informiert werden müssten, wurde abgesichert, dass Apotheken, Ärzte und Kliniken mit Handlungsanweisungen schnell vorab informiert werden könnten.
Gröhe gratulierte BfArM und Selbstverwaltung zu diesem Schritt. Die Bundesregierung unterstützte den Aufbau des Informationssystems finanziell. Bei dieser Gelegenheit stellte der Minister mit Blick auf die Geschäfte zwischen Großhandel und Apotheken klar, dass sich der Gesetzgeber hier nicht einmischen werde. Skonto sehe er ebenso wie der Wirtschaftsminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Grüne) als sinnvolles Instrument, um den Wettbewerb innerhalb des Systems zu beleben.
Im April setzten sich einige Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) dafür ein, dass die illegal erhobenen Bearbeitungsgebühren für Privatkredite der vergangenen zehn Jahre mit 4 Prozent verzinst an die Apotheken zurückerstattet werden sollten. Chefkontrolleur Hermann Stefan Keller, setzte sich an die Spitze der Bewegung. Die beiden weiteren Apotheker im Aufsichtsrat sowie die Vertreter der Ärzteschaft zogen mit. Davon profitierten in der Folge nicht nur mehrere tausend Apotheker und Ärzte, sondern auch die Bank selbst. Als Genossenschaftsbank konnte sie durch diese Maßnahme ihr Image und ihre Vorrangstellung bei den Gesundheitsberufen weiter ausbauen und auf Managerabfindungen oder unzweckmäßige Ausgaben in Marketing und Vertrieb verzichten.
Premiere in der ARD: Bei Frank Plasberg wurde über Arzneimittelrisiken und die Folgen einer Abwanderung der Produktion in Billigländer diskutiert. Mit am Tisch saß auch Professor Dr. Martin Schulz aus der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker. Er war im Rahmen eines Medientrainings professionell vorbereitet worden. Schulz erläuterte, dass der Preis von Arzneimitteln natürlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden dürfe und müsse. Aber eben betrachtet von beiden Seiten. Arzneimittel und deren Kosten dürften Patienten und Kassen einerseits nicht überfordern. Aber ein vernünftiger Preis sollte sicherstellen, dass die Qualität stimme und der Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland eine echte Chance habe. Plasberg stimmte zu Spahn als Gast der Sendung sowieso. Und Gerd Glaeske verfolgte die Diskussion nur vor dem Fernseher. In den kommenden Monaten des Jahres waren immer häufiger Spezialisten der Apothekerschaft zu Arzneimittelthemen zu Gast in Talkshows. Stiftung Warentest testete zwar auch 2014 Apotheken, aber es ging fair zu.
Nach rund zwei Jahren Diskussion wurde die Substitutionsausschlussliste im G-BA im Beisein der Apotheker erörtert. Um eine reibungslose Umsetzung zu ermöglichen, wurden Fristen festgelegt. Kritische Fragen sollten vor einer finalen Entscheidung noch einmal von den Spezialisten der Arzneimittelkommissionen von Ärzten und Apothekern einvernehmlich geklärt werden. Dieser Empfehlung wollte der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken dann auch folgen.
Am Tag der Apotheke 2014 beteiligten sich mehr als 12.000 Apotheken. Das Thema „Gesünder mit der Apotheke“ zielte besonders auf die Leistungen der Apotheken ab. Durch die Einsparungen bei den Immobiliengeschäften und sonstigen Investments und dank der Bildung eines gemeinsamen Informations-Fonds durch alle Apotheker-Organisationen konnten Werbespots in TV und Hörfunk im Wert von 5 Millionen Euro geschaltet werden. Eine Imageanalyse vor, während und nach der Kampagne verdeutlichte die Effizienz der Maßnahme. Für den Herbst wurde im Anschluss eine gemeinsame Arzneimittelkampagne mit den Ärzten, den Krankenkassen und ARD und ZDF geplant. Schirmherr sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel sein.
Im Juli begann der Prozess gegen den früheren FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium war bekannt geworden, dass verschiedene private Krankenversicherer, darunter ein Unternehmen aus Süddeutschland, den Liberalen massiv unterstützt hatten. Gröhe hatte bereits im Februar reinen Tisch gemacht und den sogenannten Pflege-Bahr mit der Mehrheit der schwarz-grünen Koalition kassiert. Fast zeitgleich hatte Gröhe in Abstimmung mit dem Innenministerium eine Task Force zum Thema Arzneimittelhandel im Internet gebildet. Wenige Wochen später wurden per Gesetz Arzneimittelgeschäfte auf Auktionsplattformen wie ebay verboten.
Im Beisein von Spahn stellten Ärzte und Apotheker im Sommer ihren neuen Partnerkatalog in der Bundespressekonferenz vor. Bereits zum 1. September startete bereits das Projekt in den drei größten Bundesländern, finanziert von Krankenkassen und Politik. Das Ziel: Möglichst schnell Daten gewinnen und ein besseres Medikationsmanagement herstellen. Im Januar 2015 sollen Ergebnisse vorliegen. Im Juni 2015 soll das neuen Projekt bundesweit laufen, vorher die Beratungspauschalen für Ärzte und Apotheker festgelegt werden.
Zum 1. Oktober 2014 verhandelten Kassen, Apotheker und BMG über das Honorar der Apotheker für das Jahr 2015. Innerhalb von dreieinhalb Stunden wurde man sich einig. Vor Medienvertretern wurde eine Honorarsteigerung in Höhe von 2,2 Prozent erläutert. Basis für diese Erhöhung war die Inflationsentwicklung sowie die neuen Aufgaben der Apotheken.
Im November präsentierte die ABDA in Berlin die neuesten Apothekenzahlen. Danach gab es nach mehreren Jahren erstmals wieder deutschlandweit mehr Apothekengründungen als Schließungen. Die Zahl der Filialen sank, es gab zahlreiche Neueröffnungen durch junge Apotheker. Möglich wurde dies durch ein neues Investitionsprogramm der Apobank, gefördert von der KfW. Danach werden fortan Neueröffnungen von Apotheken gefördert, da diese nach Auffassung der Bundesregierung für die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung von größter Bedeutung sind.
Beim Deutschen Apothekertag im Spätherbst in München begrüßte die in einer Basisabstimmung gewählte neue Präsidentin Magdalene Linz die Delegierten. Linz wurde als erste Frau an die Spitze der ABDA gewählt. Gemeinsam mit Friedemann Schmidt soll sie als Doppelspitze fungieren. Die Zahl der Gremien wurde stark reduziert. Mehrere Geschäftsführer hatten die ABDA verlassen.
Bei den Verhandlungen zur Veränderung der BtM- und Rezeptur-Vergütungen gab es bereits erste Fortschritte. Die Herbstkampagne der Apotheken wurde ein grandioser Erfolg. Mehr als 14.500 Apotheken beteiligten sich an der Maßnahme, die von ARD und ZDF unterstützt worden war. Das Wort „Apothekenpreis“ wurde aus dem Duden gestrichen.