Infektionskrankheiten

WHO: Zu wenig Frühwarnsysteme dpa/APOTHEKE ADHOC, 15.10.2015 14:14 Uhr

Manko Frühwarnung: Die WHO-Direktorin Magaret Chan sieht die Welt auf eine neue Epidemie wie bei Ebola nicht vorbereitet. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die Welt ist nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf eine neue Epidemie wie beim Ebola-Ausbruch nicht vorbereitet. Nur etwa ein Drittel der 194 WHO-Mitgliedsstaaten verfüge über ein Frühwarnsystem zur Erkennung gefährlicher Krankheiten, sagte die WHO-Direktorin Dr. Margaret Chan der spanischen Zeitung „El País“. Die Ebolakrise sieht sie als Chance, Reformen voranzutreiben.

Für ein Frühwarnsystem werden laut Chan Laboratorien benötigt, die Infektionen mit seltenen Krankheiten rechtzeitig und zuverlässig diagnostizieren können. Zudem seien besondere Behandlungsmöglichkeiten erforderlich. „Wenn die Krankenhäuser nicht über Quarantäne-Stationen verfügen, wird eine Infektion sich rasch ausbreiten“, so Chan. In Afrika gebe es in 20 Ländern Populationen von Fledertieren, die das Ebola-Virus übertragen.

Die WHO-Direktorin beklagte, dass Staaten, die Infektionsfälle meldeten, von anderen Ländern mit Reisebeschränkungen „bestraft“ würden. „Es gibt noch immer 43 Staaten, die wegen Ebola solche Beschränkungen aufrechterhalten“, sagte Chan. „Wir haben diese Verbote nicht empfohlen.“ Generell müssten Länder, in denen eine Krankheit wie Ebola ausbricht, die Fälle an die WHO melden.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) plädierte die WHO-Direktorin dafür, dass die übrigen Länder in so einem Fall keine Handels- oder Reisebeschränkungen aussprechen sollten, die über die Empfehlung ihrer Organisation hinausgingen. Dabei beruft sich Chan auf die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Diese hätten die Regierungen unterzeichnet, um sich „gegen eine gemeinsame Bedrohung zu verteidigen“.

In Guinea, Liberia und Sierra Leone waren an Ebola seit Ausbruch der Epidemie laut WHO mehr als 28.000 Menschen erkrankt und mehr als 11.000 gestorben. Nach dem Ausbruch der Epidemie war die WHO ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) warfen Chan vor, sie habe viel zu zögerlich reagiert. So habe die WHO erst im August 2014 den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. „Die Information ist einfach nicht nach oben geflossen“, begründete Chan die späte Reaktion im SZ-Interview. Man könne nichts bekämpfen, das man nicht sehe und von dem man nichts wisse.

Gleichzeitig sparte die WHO-Direktorin nicht mit Kritik am System. Sie bemängelte, die Finanzausstattung ihrer Organisation. „Viele Regierungen unterstützen ein Nullwachstum ohne Inflationsausgleich“, so Chan. Das habe dazu geführt, dass die Kaufkraft des Budgets in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gesunken sei. Darüber hinaus kritisierte die WHO-Direktorin die teilweise mangelnde Unterstützung durch die 194 Mitgliedstaaten. „Viele Länder benehmen sich wie Besucher der WHO, nicht wie Mitglieder“, sagte Chan.

Die chinesische Ärztin steht seit 2006 an der Spitze der Organisation. Ihre Amtszeit endet im Juni 2017. Gerade die Ebolakrise begreift Chan als Chance: Diese habe ihr die Chance gegeben, die Reformen zu beschleunigen.