Westafrika

ÄoG: Kampf gegen Ebola längst verloren

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Rom/Abuja/New York/Berlin -

Die Mediziner-Organisation Ärzte ohne Grenzen (ÄoG) ist der Ansicht, dass der Kampf gegen Ebola längst verloren sei. Die Welt habe viel zu spät und dann zu langsam auf die Gefahr reagiert. „Staaten mit der Möglichkeit, auf einen solchen Ausbruch zu antworten, müssen sofort Experten und Material in die betroffenen Regionen schicken“, hieß es von der Hilfsorganisation.

Viele Länder könnten zivile oder militärische Teams entsenden, tun es aber nicht. „Die Weltgemeinschaft versagt bei ihrer Reaktion auf die bisher schlimmste Ebola-Epidemie“, sagte die internationale Präsidentin von ÄoG, Joanne Liu. „Stattdessen haben sich die Staaten zu einer internationalen Koalition der Untätigkeit zusammengetan.“ Bis jetzt werde die Verantwortung überforderten Gesundheitsbehörden und privaten Hilfsorganisationen überlassen, sagte Liu.

„Anstatt sich nur darauf zu beschränken, sich auf eine mögliche Ankunft eines Ebola-Infizierten in ihrem Land vorzubereiten, sollten sie die Gelegenheit ergreifen, um dort Leben zu retten, wo dies jetzt nötig ist: in Westafrika“, so Liu. ÄoG betont, dass in die betroffenen Gebiete entsandtes militärisches Personal nicht dafür eingesetzt werden darf, um Quarantänemaßnahmen gewaltsam durchzusetzen.

Die Hilfsorganisation fordert Staaten mit Katastrophenschutzkapazitäten dringend dazu auf, Personal und Material nach Westafrika zu entsenden. Kurzfristig werden zusätzliche Isolierzentren, mehr ausgebildetes Personal, mobile Labors für eine bessere Diagnostik benötigt, sowie Flugzeuge, damit Personal und Material befördert werden können.

Die Kliniken von ÄoG in Liberia und Sierra Leone sind mit Patienten, bei denen Verdacht auf Ebola besteht, überfüllt. Die Menschen erkranken aber nach wie vor an Ebola und sterben in ihren Dörfern und Gemeinden. In Sierra Leone liegen hoch infektiöse Leichen auf den Straßen und verwesen dort.

ÄoG ist in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria tätig. Die Organisation betreibt fünf Ebola-Behandlungszentren mit einer Kapazität von insgesamt 480 Betten. Seit März hat ÄoG 2077 Patienten aufgenommen, von denen 1038 positiv auf Ebola getestet wurden. 241 wurden gesund.

In den betroffenen Ländern gefährdet die Ebola-Epidemie zudem die Ernten und die Nahrungsmittelversorgung von außen. Lebensmittel seien durch Reisebeschränkungen und Quarantäne-Zonenoft teuer geworden und schwer zu bekommen, warnte die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO).

Auch die Landwirtschaft Liberias, Sierra Leones und Guineas leidet demnach enorm: Für die bevorstehende Haupterntezeit für Mais und Reis fehlen auf den Farmen wegen der Reisebeschränkungen und der Flucht vieler Familien oft Arbeiter. Die auf den Ebola-Ausbruch zurückgehenden Probleme hätten bereits zu Panik-Käufen, Lebensmittelknappheit und extremen Preisanstiegen bei einigen Nahrungsmitteln geführt, hieß es weiter.

Das Welternährungsprogramm (WFP) kündigte an, die Bemühungen zur Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln zu verstärken. In Guinea, Liberia und Sierra Leone sei eine Nothilfeoperation für insgesamt 1,3 Millionen Menschen in Quarantänezonen und Gesundheitsstützpunkten angelaufen, teilte die UN-Organisation mit.

Zu einem größeren Problem wird offenbar auch der von Westafrika unabhängige Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo: 31 Menschen seien in der Provinz Equateur im Norden des Landes inzwischen an der Virus-Erkrankung gestorben, so Gesundheitsminister Félix Kabange Numbi. Insgesamt wurden demnach 51 Ebola-Fälle erfasst, 185 Menschen, die mit Ebola-Infizierten Kontakt hatten, stehen unter Beobachtung.

Nigeria will das experimentelle Ebola-Mittel Favipiravir aus Japan verwenden. In einer deutschen Studie hatte Favipiravir mit Ebola infizierten Mäusen geholfen. Zudem habe Nigeria auch um das in Kanada entwickelte experimentelle Ebola-Mittel TKM gebeten und wolle sich an Impfstoffversuchen beteiligen, so Nigerias Gesundheitsminister Dr. Onyebuchi Chukwu. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete das Land bis zum 26. August 17 bestätigte und Verdachtsfälle, 6 Menschen starben.

Insgesamt wurden der WHO aus den betroffenen westafrikanischen Ländern mehr als 3000 Ebola-Fälle gemeldet, davon über 1500 tödlich verlaufene. Die tatsächlichen Zahlen liegen noch weit höher. Der Ebola-Ausbruch in Westafrika ist nach Ansicht der Vereinten Nationen eine ähnlich große Herausforderung für die internationale Gemeinschaft wie der Tsunami im Indischen Ozean 2004 oder das Erdbeben in Haiti 2010.

„Dieser Ausbruch ist größer, komplexer und ernster als alles, was wir in der 40-jährigen Geschichte von Ebola gesehen haben“, sagte die WHO-Chefin, Margaret Chan. Die UN bestätigten, dass Schiffe Liberia und Sierra Leone wegen Ebola meiden, viele Fluggesellschaften fliegen die Region nicht mehr an. „Isolierung ist nicht die Antwort. Dann gefährdet man die in den vergangenen Jahren teuer erkauften Erfolge beim Aufbau der Wirtschaft“, sagte UN-Koordinator David Nabarro.

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