Arbeitstage in der Apotheke können lang werden. Zahlreiche Apotheker:innen und PTA arbeiten 10 Stunden am Tag. Unterbesetzung, zu viele Rezepturen, technische Ausfälle – Gründe, weshalb der Arbeitstag zur Belastungsprobe werden kann, gibt es viele. Einige sind jedoch vermeidbar. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) verweist auf die Bedeutung von Prozessen, Aufgabenverteilung und Kommunikation.
Zum Thema „Gefährdungen durch psychische Belastung“ hat die BAuA aktualisierte Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Nicht nur von Ausgangssubstanzen und patientennahen Dienstleistungen können Gefahren ausgehen, auch die psychische Belastung der Arbeit und ihre möglichen Folgen für die Gesundheit müssen beim Thema Arbeitsschutz berücksichtigt werden. 2013 wurden physische und psychische Arbeitsbelastungen mit einer Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes gleichgestellt.
Laut BAuA hat psychische Belastung am Arbeitsplatz zahlreiche Gründe: Zum einen kann es an der Arbeitsaufgabe an sich liegen. Das beginnt bereits bei der unzureichenden Passung von Arbeitsanforderungen und Qualifikation. Soll eine neu eingestellte PTA, die zuvor nur im Handverkauf gearbeitet hat, auf einmal die Arbeit in der Rezeptur leiten, so entsteht schnell das Gefühl der Überforderung. Dieser Herausforderung kann man sich stellen, dann bedarf es jedoch der geeigneten Unterstützung der Kolleg:innen – Einarbeitung kostet Zeit.
Doch auch die Arbeitsabläufe an sich können, wenn sie schlecht oder gar nicht strukturiert sind, zu Frust führen. Vor allem ein Ungleichgewicht von Arbeitsmenge, Aufgabenkomplexität und Arbeitszeit führe zu unüberwindbarem Stress, informiert die Bundesanstalt. Im Apothekenalltag kommt es nicht selten vor, dass Apotheker:innen und PTA auf mehreren Posten arbeiten. Zwischen Handverkauf, Rezeptkontrolle und Rezeptur bleiben dann Aufgaben liegen – das dauerhafte unvollständige Ausführen unterschiedlicher Tätigkeiten ist für viele Arbeitnehmer:innen unbefriedigend.
Kommt es dann innerhalb des Teams noch zu Kommunikationsproblemen und mangelnder Unterstützung, ist der Ärger groß. Nicht selten resultieren daraus unausgesprochene Spannungen, Streitigkeiten und verbale Aggression.
„Demnach liegen Schlüsselfaktoren einer präventiven Arbeitsgestaltung in der Gestaltung von Führung […], Handlungsspielräumen […], Arbeitsintensität […] und Arbeitszeit […]“, so die BAuA. Für Führungskräfte sollte der Fokus auf Wertschätzung, Fürsorge und sozialer Unterstützung liegen. Arbeitnehmer:innen können sich mit steigenden Einflussmöglichkeiten auf die eigene Arbeit eher mit dieser identifizieren, auch Mitsprache ist ein wichtiges Thema. Nur durch die Kommunikation von Problemen lassen sich diese auch lösen.
Auch das Arbeitsumfeld, also die Räumlichkeiten an sich, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Eine falsche oder unzureichende Beleuchtung kann ebenso zur Belastung werden wie eine unangenehme Temperatur, dauerhaft blendende Sonneneinstrahlung oder Lärm.
Anhaltender Stress kann gesundheitliche Folgen haben. Ermüdung und die Herabsetzung der Wachsamkeit nennt die BAuA als Beispiele. Manche Aufgaben in der Apotheke erfordern ein besonders hohes Maß an Konzentration. Apotheker:innen und PTA im Reinraum müssen jede ihrer Bewegungen bewusst tätigen um Kontaminationen und Fehler zu vermeiden. Viele Teams haben sich eigene Arbeitsprozesse erstellt, um eine falsche Routine und Frust an immer gleichen Arbeitsabläufen zu vermeiden. Auch an anderen Stellen der Apotheke lohnt sich die gemeinsame Erstellung eines Prozessplanes, um psychische Belastungen zu reduzieren.
Jeder Arbeitnehmer/jede Arbeitnehmerin reagiert unterschiedlich auf Stress. So schreibt die BAuA: „Psychische Belastung kann anregend und aktivierend wirken sowie Lernprozesse und Kompetenzentwicklung der Arbeitenden befördern. Je nach Art, Intensität und Dauer sowie in Abhängigkeit der persönlichen Voraussetzungen […] kann sie aber auch […] langfristige gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen haben.“ Eine Gefährdungsbeurteilung der psychosozialen Risiken unterscheidet sich von der Erarbeitung in anderen Bereichen. Ohne Grenzwerte und Sicherheitsdatenblätter eröffnet sich kein roter Faden, an dem sich die Vorgesetzten und zuständigen Mitarbeiter:innen entlangarbeiten können. „Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung wird daher in der Regel ein Prozess sein, in dem verschiedene und zum Teil konfligierende Problemsichten und Interessen eingebracht und verhandelt werden“, so die BAuA.
Psychische Belastung kann schwer bis gar nicht gemessen werden. Die BAuA empfiehlt deshalb von Modellen, die die psychische Belastung als Mess- und Beurteilungsproblem sehen, Abstand zu nehmen, um zu einer „Gestaltung psychischer Belastung“ zu gelangen. Im Zentrum sollte die Einbeziehung von Führungskräften und Beschäftigten stehen. Innerhalb kleiner Apothekenteams können regelmäßige Dienstbesprechungen Probleme aufdecken. Schlecht gelöste Arbeitsprozesse können gemeinsam neu gedacht werden. Oftmals lohnt es sich, die Sicht aller miteinzubeziehen – die PKA wird oftmals einen anderen Blick auf gewisse Probleme haben als die PTA oder die Approbierten. Gleiches gilt für die Rezeptur-PTA und den HV-Apotheker. Ein regelmäßiger Austausch von Arbeitsleistung und -aufkommen kann zur Prozessoptimierung beitragen.
Die regelmäßige Beurteilung von Arbeit soll dabei unterstützen, Problembereiche zeitnah aufdecken zu können. „Arbeitgeber sollten Spielräume und Anreize dafür [für die Gestaltungsakteure] schaffen sowie Kompetenzen von Führungskräften und Beschäftigten stärken, Entscheidungen über die Organisation und Gestaltung der Arbeit im Interesse des Gesundheitsschutzes zu fällen.“ Kommunikation kann der Schlüssel zur Prävention sein. Die fürsorgliche Mitarbeiterführung gilt für die BAuA als Bestandteil professioneller Berufsausübung.
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