231 Apotheker in Deutschland arbeiten bei der Bundeswehr. In einigen Dingen ähnelt ihr Alltag dem ihrer zivilen Kollegen – sie lagern und verteilen Arzneimittel, stellen Zytostatika her und müssen Lieferengpässe überbrücken. Allerdings machen sie das in großem Maßstab, in Containern in Afghanistan oder in Stollen. Die meisten sind auch Lebensmittelchemiker und für die Kontrollen der Rationen und Wasservorräte zuständig.
Die Wehrpharmazie ist Teil des Sanitätsdienstes und umfasst drei Bereiche: die wissenschaftliche und praktische Pharmazie, die Lebensmittelchemie und die Sanitätsmaterialwirtschaft. Das Leitprinzip des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ist es, kranken und verletzten Mitarbeitern Hilfe nach den in Deutschland geltenden Standards zu bieten.
Soldaten erhalten eine unentgeltliche truppenärztliche Versorgung, dazu gehören etwa die ärztliche Behandlung und das Material, das über die Bundeswehr bezogen wird. Die Arzneimittel erhalten sie üblicherweise nicht in Apotheken, sondern direkt von den Ärzten in den Kliniken oder Kasernen, die wiederum von den Bundeswehr-Apotheken beliefert werden. Nur in dringenden Fällen erhalten sie ein Zivil-Rezept. Sobald Bundeswehrangehörige als Soldaten ausgeschieden sind, sind sie wie Beamte privat versichert und erhalten Beihilfe, genauso ihre Familienangehörigen.
Zur Bundeswehr gehören vier Krankenhäuser in Hamburg, Berlin, Koblenz und Ulm, in jeder gibt es eine Krankenhausapotheke. In den Kliniken werden nicht nur Angehörige der Bundeswehr, sondern auch zivile Patienten behandelt. Der Stationsbedarf kommt aus den jeweiligen Apotheken, sodass deren Leistung auch Zivilisten zugute kommt.
In der Apotheke in Ulm wurden lange Zeit in großem Stil Medikamente angefertigt, etwa Nasensprays mit Natriumchlorid, Schmerztabletten, Hustentropfen, Sonnencreme, Lippenschutzstifte oder Insektenschutzmittel. Der Bundesrechnungshof (BRH) hatte 2009 und erneut 2012 kritisiert, dass es nicht sinnvoll sei, Medikamente selbst zu produzieren, die in jeder Apotheke beschafft werden könnten. Nur 10 Prozent der Präparate würden für Einsätze in Afghanistan oder im Kosovo benötigt.
Die Bundeswehr hatte die eigene Produktion gegen die BRH-Kritik mit dem Argument verteidigt, in Krisensituationen Lösungen, Tabletten oder Salben selber herstellen zu können. Dennoch wurde die Produktion zunächst um- und inzwischen weitgehend eingestellt. Künftig sollen nur noch solche Medikamente selbst hergestellt werden, die nicht sicher beschafft werden können und wehrmedizinisch relevant sind. Trotzdem: „Wir versuchen, das Wissen nicht zu verlieren“, betont Oberstapotheker Arne Krappitz.
Krappitz ist 1973 als Sanitätsoffiziersanwärter in die Bundeswehr eingetreten. In Münster studierte er Pharmazie und Lebensmittelchemie. Seit 2013 ist er Inspizient der Wehrpharmazie und repräsentiert in dieser Funktion den Bereich innerhalb und außerhalb der Bundeswehr. Außerdem berät er den Inspekteur des Sanitätsdienstes in allen fachlichen Belangen seines Aufgabengebietes.
Zu den Präparaten, die die Bundeswehr-Apotheken auch weiterhin selbst herstellen, gehören etwa Autoinjektoren für die Erste Hilfe. Die Produktion wird derzeit aufgebaut. Wie andere Hersteller auch braucht die Bundeswehr zunächst eine Herstellungserlaubnis für die Produkte und anschließend eine Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Auch Antibiotika und Natriumsulfatlösungen als Antidot sollen künftig in Ulm hergestellt werden.
In Koblenz werde es keine große Produktion mehr geben, sondern nur noch Rezepturen und Defekturen, so Krappitz. In Ulm werden parallel zur Produktion ebenfalls von Hand Arzneimittel hergestellt, zum Beispiel Sterillösungen. Doch nicht nur in Deutschland, auch auf Auslandseinsätzen werden Arzneimittel hergestellt, entweder in Gebäuden oder Containern mit Laboren. Im Kosovo und in Afghanistan gibt es eine Feldapotheke.
Mit der Produktion will die Bundeswehr auch auf Lieferengpässe vorbereitet sein. Dass solche Arzneimittel an Zivilisten abgegeben werden, ist allerdings nicht vorgesehen. „Unsere Berechnungen beziehen sich nur auf die Soldaten“, erklärt Krappitz. Dass die Bundeswehr im Notfall aushilft, sei aber denkbar.
Zur Arbeit der Bundeswehrapotheker – 135 von ihnen sind gleichzeitig Lebensmittelchemiker – gehört auch die Inspektion der Bundeswehr-Kantinen, die chemische Analyse von Essen, Wasser und Artikeln des täglichen Bedarfs sowie die Überprüfung von Lebensmittellieferanten. Mithilfe dieser präventiven Arbeit soll die Gefahr verringert werden, dass Soldaten krank werden. In Deutschland gibt es drei zentrale Bundeswehr-Institute in Kiel, Koblenz und München. Auf Auslandseinsätzen untersuchen die Offiziere beispielsweise die Qualität des Trinkwassers.
Die zentrale Arzneimittelversorgung übernehmen drei Apotheken in Blankenburg in Sachsen-Anhalt, dem niedersächsischen Quakenbrück und im hessischen Pfungstadt. Die Apotheken beliefern nicht nur die Bundeswehr mit Arzneimitteln, sondern auch die deutschen Botschaften auf der ganzen Welt. Die Arzneimittel müssen – wie in öffentlichen Apotheken auch – richtig gelagert und kontrolliert werden.
Die Apotheke in Blankenburg ist mit 33.000 Quadratmetern das größte Lager der Bundeswehr und liegt in einem alten Stollen. Dort wird kritisches Material gelagert, etwa Impfstoff gegen Vogelgrippe. Die Gänge erstrecken sich mehr als 8000 Meter in den Harz hinein, Mitarbeiter nutzen Fahrräder, um zu den einzelnen Lagerplätzen zu kommen. Das Depot wurde im Zweiten Weltkrieg von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in das Felsmassiv Regenstein getrieben, die Bundeswehr übernahm es nach der Wende von der NVA.
Damit das Arbeiten in dem Fels überhaupt möglich ist, werden stündlich rund 40.000 Kubikmeter Luft in die Gänge gepumpt. Etwa 3000 verschiedene Arzneimittel lagern in den Stollen, außerdem Krankenhausausstattungen und Medizingeräte wie Defibrillatoren, Röntgen- und Beatmungsgeräte. Eine Klimaanlage sorgt dafür, dass die Temperatur nie über 19 Grad steigt. Etwa 120 Soldaten und zivile Angestellte arbeiten in dem unterirdischen Lager, neben Apothekern etwa auch PTA und Medizintechniker.
Auf Auslandseinsätzen befinden sich die Arzneimittel in Zelten, Containern oder Lagerhäusern. Auch auf Mission ist es möglich, Blut und Blutprodukte bereit zu stellen oder Sauerstoff herzustellen.
Von den 231 Bundeswehr-Apothekern sind 76 Frauen. Insgesamt 124 sind Berufssoldaten. Auf ihrem Weg zum Sanitätsoffizier müssen sie die Grundausbildung bei der Bundeswehr absolvieren. Das Studium erfolgt an einer zivilen Universität, meist in Pharmazie und Lebensmittelchemie. Anschließend erhalten sie ein weiterführendes Training, etwa zu Fremdsprachen oder dem Arbeiten in einem Container. Auch die Weiterbildungen kann man bei der Bundeswehr absolvieren, vor allem im Bereich Klinische Pharmazie, aber auch in Öffentlicher Gesundheit oder Pharmazeutischer Technologie.
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