In Berlin ist Apotheker Dr. Axel Müller-De Ahna eine Instanz. Die Wedding-Apotheke im gleichnamigen Berliner Stadtteil gibt es seit über 40 Jahren. Im Berliner Arbeiterviertel mit überdurchschnittlich hohem Migrantenanteil tobt der Preiskampf härter als anderswo. Auch die Wedding-Apotheke bietet bis zu 50 Prozent Rabatt auf 2500 Artikel. Aber das ist nicht alles: „Wedding ist mehr als Preiskampf“, sagt der Apotheker, „ich wollte mal etwas anderes machen.“ Herausgekommen ist ein Image-Video, dass die bunten, multikulti Facetten des Berliner Kiez zeigt.
Im letzten Herbst wurde das Video mit realen Personen aus der Umgebung der Apotheke einen Tag lang gedreht. „Ich wollte mal weg vom Preiswettbewerb“, erzählt Müller-De Ahna. Das negative Wedding-Image ist über die Grenzen Berlins bekannt. „Aber so geht es auch, das ist auch der Wedding – sympathisch, weltoffen, positiv“, so der Apotheker.
Vom Ergebnis der Dreharbeiten war Müller-De Ahna zunächst allerdings nicht überzeugt: „Ich war in und her gerissen. Wo bleibt im Video die Wedding-Apotheke“, habe er sich gefragt und dann für einige Zeit „die Lust verloren am ehrgeizigen Projekt. Aber jetzt will er etwas gegen das Negativ-Image seines Berliner Standortes unternehmen. APOTHEKE ADHOC hatte kürzlich über den knallharten Wettbewerb in der Berliner Müllerstraße berichtet.
Im Video werden typische Wedding-Charaktere ins Bild gerückt: Da ist Hermann, der ein Vermögen im Casino gemacht hat, aber den Zugangscode zu seinem Online-Banking vergessen hat. Eva studiert Informatik und Mousa weiß, ob es einen Gott oder einen Wasserkocher unter zehn Euro gibt. „Und wenn Du wissen willst, was der Wedding ist, frag Ilse“, erzählt eine Stimme aus dem Off.
Ilse, die mit einem Rollator durch Wedding zieht, ist das Bindeglied zwischen den Charakteren. Ilse kennt alle und ist zudem seit Jahrzehnten Stammkundin in der Wedding-Apotheke. Und da ist Leslie, die einem Judo beibringen kann, wenn sie nicht gerade Unterwäsche verkauft. Und Said erzählt nur seinen Tomaten, was er im Wedding so sieht. Die Welt im Wedding ist vielfältig, locker und sympathisch, das soll das Video herzeigen.
Der Wedding verändert sich, aber die Apotheke von Ilse gibt es seit fast 50 Jahren. Die Kamera schwenkt in den Eingang der Wedding-Apotheke, aber der Name der Apotheke fällt im Video nicht, auch ist der Name nicht zu sehen. Aus den Mittel- und Zeigefingern beider Hände bilden die Personen ein „W“ für Wedding. Ilse sagt immer: „Mach keinen Scheiß, mach dein Wedding.“ Eine eigene „Mach-Dein-Wedding“-Internetseite soll folgen. Sticker mit dem Slogan gibt es in der Wedding-Apotheke bereits gratis, Tragetaschen folgen.
„Eine filmische Liebeserklärung an den Wedding“ sei das Video, heißt es auf der Internetseite der Apotheke. Immerhin wurde das vor wenigen Tagen auf YouTube veröffentliche Video bereits über 2000 mal aufgerufen – das kann sich sehen lassen. Alle Darsteller wohnen und leben im Wedding, auch Ilse. Im richtigen Leben heißt Ilse aber Uschi Cezanne und hat als Komparsin schon reichlich Erfahrung gesammelt. Sie spielte in Filmen mit, hatte Auftritte in der Schaubühne, der Komischen Oper, machte Werbung für die Sparkasse oder Pastillen und erreichte mit Shows wie „Oma schaut Musik“ auf dem Videoportal YouTube beachtliche Klickzahlen.
Aber die Realität der Müllerstraße ist eben auch anders – knallhart. Seit über 40 Jahren beobachtet Müller-De Ahna den Wandel im Kiez: „Die Müllerstraße war einmal die ‚Einkaufsstraße des Nordens‘“, erzählt er. Früher habe es hier nur inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte gegeben. Sogar ein „Loden“-Geschäft mit bayerischer Kleidung gab es hier. Zudem war die Müllerstraße geprägt von der französischen Besatzungszone. „Hier gab es französischen Flair, es wurden französische Wochen gefeiert“, erinnert sich der Apotheker.
Schon immer war der Wedding ein Arbeiterbezirk. Dann habe er sich aber nach und nach zum Zuwandererbezirk gewandelt. Aber richtig „gekippt“ ist die Einzelhandelslandschaft erst mit dem Fall der Mauer 1989. Müller-De Ahna: „Die Müllerstraße ist die Verlängerung der früheren Ostberliner Chauseestraße“. Als erstes kamen nach der Wende die großen Filialisten in die Müllerstraße, C&A, Douglas und andere. Die Mieten stiegen, viele kleine Einzelhändler mussten aufgeben. Doch die Rechnung ging nicht auf: „Es fehlte die Kaufkraft im Wedding“, so Müller-De Ahna. Viele Filialisten hätten rasch wieder aufgegeben: „Hinterhergezogen sind die Billigketten. Das Bild der Müllerstraße hat sich total verändert.“
Aber inzwischen dreht sich die Entwicklung wieder in eine positivere Richtung. „Der Wedding wird hipp, es tut sich etwas“, so Müller-De Ahna. Kürzlich hat sich ein Bio Company Lebensmittelladen angesiedelt. So etwas gab es im Wedding seit langem nicht. Und auch die Wedding-Apotheke kann sich sehen lassen. Die hat Müller-De Ahna vor 12 Jahren hochwertig umgebaut: „So als stünde sie am Kurfürstendamm.“
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