Warum nicht HIV ins Schaufenster? Silvia Meixner, 24.10.2018 09:05 Uhr
Heike Belgert vom Berliner Art Window Werbeatelier macht Apotheken-Schaufenster, bei denen Passanten erfreut stehen bleiben. Die Dekoration ist kreativ und informativ – wie bei der neuen Pop-Art-Variante der BerlinApotheke Friedrichshain. Es geht um HIV, ein Thema, das längst noch nicht abgehakt ist.
„Heike Belgert ist schon lange für unsere Schaufenster zuständig, sie macht immer tolle Sachen“, lobt Apotheker Nico Reinold. „Wir brauchen das auch: Ein Schaufenster, das uns abhebt von all den Döner-, Umtausch- und Schnäppchen-Butzen hier in der Gegend“, sagt er lächelnd. „Wir legen Wert auf schöne Schaufenster, sind ganz vom Waren-Schaufenster weg und setzen stattdessen auf Info-Schaufenster.“
„Wir sind eine HIV-Schwerpunktapotheke“, erklärt Reinold. Allein in Berlin infizieren sich jedes Jahr fast 400 Menschen mit dem HI-Virus. Jeder Sechste, der von seiner Erkrankung erfährt, ist über 50 Jahre alt. „Wir haben vier HIV-Patientinnen, die über 60 Jahre alt sind“, erzählt Reinold. Bei der Diagnose, die oft im Rahmen von OP-Vorbereitungen gestellt wird, seien sie völlig geschockt gewesen.
Dann aber hätten sie sich mit der schlechten Nachricht und dem Umstand, dass man die Krankheit mit den richtigen Medikamenten gut in Schach halten kann, arrangiert. „Eine hat gesagt, na gut, dann habe ich neben Osteoporose eben auch noch HIV“, sagt Reinold. Ein wenig Humor hilft in schlimmen Lebenssituationen bekanntlich immer. „Es ist längst nicht mehr so, dass HIV immer nur die anderen, die Spritzer, Transsexuellen und Homosexuellen haben. Die Angst der 80er-Jahre, in denen Aids oft tatsächlich ein Todesurteil war, ist verschwunden. So lange bei den älteren Patientinnen keine schweren Grunderkrankungen dazukommen, ist es kein Problem.“ Seit 1996 ist die Apotheke eine HIV-Schwerpunktapotheke, sie war eine der ersten in Berlin.
In der BerlinApotheke Friedrichshain werden die HIV-Patienten ebenso professionell wie liebevoll umsorgt. Es gibt einen extra Beratungsraum und die Kunden können sich aussuchen, ob sie lieber mit einer jungen Mitarbeiterin oder einem erfahrenen Mitarbeiter sprechen möchten. „Wir sind in Sachen HIV alle gut ausgebildet. Die Arztpraxen schicken die Patienten gerne zu uns.“
Auch die neue Schaufensterdekoration trägt dazu bei, dass das Thema nicht aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. „Wir möchten die Menschen informieren und sensibilisieren. Am ersten Tag haben wir gleich drei der Selbsttests verkauft“, sagt Reinold. Seit dem 29. September dürfen HIV-Selbsttests für den Heimgebrauch verkauft werden. „Oft bleibt die Infektion durch Unwissenheit, Sorglosigkeit oder falsche Scham unentdeckt. Dadurch steigt das Risiko, nicht nur die eigene Gesundheit zu gefährden, sondern auch andere zu infizieren. Die neuen HIV-Schnelltests können bequem und in privater Atmosphäre zu Hause durchgeführt werden – ohne peinlichen Arztbesuch“, informieren die Pop-Art-Schaufenster.
Die Infos sollen bis zum Welt-Aidstag am 1. Dezember installiert bleiben. „Um dieses Wochenende herum veranstalten wir noch einmal Extra-Aufklärung, stellen den Test vor und verteilen Informationen.“ Danach kommt neue Deko. Noch steht nicht fest, welchen Inhalt sie haben soll. Vitamin D vielleicht, meint der Apotheker. Ein Dauerthema im Winter. „Die Ärzte beraten, was Vitamin D-Mangel betrifft, aus unserer Sicht sehr schlecht. Die Patienten wissen oft nicht, wie sie mit den Informationen umgehen sollen.“ Ein bisschen Pop Art könnte auch hier für Verbesserung sorgen.