Mit 67 Jahren ist noch lange nicht Schluss: Apothekerin Gabriela Gayger aus Steinhorst würde gern in den Ruhestand gehen. Seit ein paar Jahren sucht sie erfolglos einen Nachfolger für ihre Linden-Apotheke. Nun gibt es einen Hoffnungsschimmer: Übernimmt ein Flüchtling aus Bagdad die Dorfapotheke?
Steinhorst ist eine kleine Gemeinde im Landkreis Gifhorn, 1300 Menschen leben hier. Für sie ist „ihre“ Dorfapotheke nicht nur ein Ort der Heilung, sondern auch eine wichtige Kommunikationsbörse. Hier werden Neuigkeiten ausgetauscht, hier pulsiert das Herz des Ortes. Die Menschen sind der Apothekerin ans Herz gewachsen – und umgekehrt.
Falls sich kein Nachfolger findet, könnte Gayger die Linden-Apotheke natürlich einfach schließen. Aber der Gedanke daran behagt ihr nicht: „Das wäre ein Verlust für den Ort. Ich hänge an Steinhorst.“ Die Apotheke wurde im Jahr 1957 eröffnet. „Ich bin seit 1982 als selbständige Apothekerin hier.“ Die Apotheke versorgt rund 5000 Menschen: „Die Dörfer hier liegen sehr zerstreut, haben 500 bis 600 Einwohner.“
Eine Arzthelferin aus der Gegend kannte die Familie Al-Mayyah, Vater Saeed ist mit seiner Ehefrau, ebenfalls eine Apothekerin, und zwei Kindern nach Deutschland geflüchtet. Die Familie lebt in Gifhorn. Al-Mayyah besucht derzeit einen Intensiv-Deutschkurs und büffelt, um seine berufliche Zulassung zu bekommen. „Ich denke, dass das zwei bis drei Jahre dauern wird“, so Gayger.
Sie sucht sein langem nach einem Apotheker, via Inserat und Makler, wie häufig auf dem Land war das Ergebnis gleich Null. „Saeed ist derzeit der einzige Kandidat.“ Deshalb arbeitet sie weiter. Und hofft, dass der 32-jährige Iraker vielleicht eines Tages in der Offizin stehen wird. Sie sieht es realistisch: „Im Moment kann ich nicht viel machen außer weiterarbeiten. Das ist hier keine 3-Millionen-Apotheke, man muss viel arbeiten.“ Eine PTA in Vollzeit, eine PTA halbtags bilden das Team, wenn jemand wegen Krankheit oder Urlaub ausfällt, hat Gayger die Telefonnummer von zwei erfahrenen PTA.
Die Hauptlast der Arbeit in der Apotheke liegt auf Gaygers Schultern. Sie liebt ihren Beruf, würde aber auch gern den wohlverdienten Ruhestand genießen. „Ich habe seit Jahren fast keine Freizeit. Die Lösung mit dem irakischen Apotheker wäre für beide Seiten ein Gewinn. Zumal Gayger nachempfinden kann, wie es ist, in einem fremden Land auf Jobsuche zu sein: „Ich komme aus Schlesien, habe im heutigen Polen studiert und bin seit den 80er-Jahren in Deutschland.“
Sie übt Kritik an der Politik: „Es ist bei den Apothekern so wie bei den Ärzten, man bekommt sie nicht aufs Land“, sagt sie. Wer Idylle und einen interessanten Arbeitsplatz sucht, kann seine Bewerbung an die Linden-Apotheke schicken. Die Gemeinde liegt zwischen den Naturparks Südheide und Drömling, die letzte große Aufregung ist schon ein bisschen her: Im Jahr 1668 kam es im Streit um Waldrechte mit den Nachbardörfern Bargfeld und Eldingen zu blutigen Auseinandersetzungen. Sie gingen als „Schweinekrieg“ in die Geschichte ein. Aber jetzt ist es ruhig in Steinhorst.
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