Leitlinie

Wann Diabetiker nicht Auto fahren dürfen

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Berlin -

Insulinpflichtige Diabetiker dürfen nicht als Bus- oder LKW-Fahrer arbeiten – eine häufig vertretene Meinung, die jedoch von der Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ widerlegt wird.

In Deutschland ist jeder fünfte Führerscheininhaber an Diabetes erkrankt, insgesamt besitzen etwa sechs Millionen Diabetiker eine Fahrerlaubnis. Bis zur Veröffentlichung der 188 Seiten umfassenden Leitlinie lagen keine medizinisch-wissenschaftlichen Grundsätze zur Bewertung der Fahreignung der betroffenen Personengruppe vor. Rechtsanwalt Oliver Ebert, Koordinator und Mitautor der Leitlinie, spricht von einer „erheblichen haftungsrechtlichen Grauzone für Ärzte und Behandlungspersonal“.

Die Leitlinie besagt: Eine Insulinpflicht oder ein hoher Langzeitblutzuckerwert stellt keinen Grund zur Verweigerung des Führerscheins dar, denn die Unfallhäufigkeit ist bei Diabetikern nur unwesentlich erhöht. Eine Fahruntauglichkeit kann jedoch unter bestimmten Bedingungen wie wiederholter schwerer Unterzuckerung oder dem unbehandelten Schlaf-Apnoe-Syndrom angezeigt sein. Laut Ebert können Mediziner ein „ärztliches Fahrverbot aussprechen und Verhaltensvorgaben machen, wenn dies angezeigt ist“.

„Bei zwei schweren Unterzuckerungen im Wachzustand innerhalb eines Jahres darf man zunächst nicht mehr Auto fahren“, betont Professor Dr. Reinhard Holl, Epidemiologe der Universität Ulm und Leitlinienmitautor. Diese zeige Möglichkeiten, die Gefahr einer Unterzuckerung zu minimieren und die Fahrtauglichkeit wiederzuerlangen. Geeignet seien beispielsweise eine Medikamentenumstellung, Wahrnehmungsschulungen oder eine kontinuierliche Glucosemessung mit akustischem Warnsignal. „Jeder Insulinpatient sollte vor Fahrtantritt den Blutzucker messen und schnellwirkende Kohlenhydrate etwa in Form von Traubenzucker im Auto griffbereit haben“, rät Holl.

Eine vorübergehende Fahruntauglichkeit ist beispielsweise angezeigt, wenn schwere Stoffwechselentgleisungen vorliegen, der Patient sich in der Einstellungsphase auf Insulin befindet oder andere Therapieumstellungen und Dosisänderungen vorgenommen werden. Sobald der Blutzuckerstoffwechsel stabil ist, dürfen die Patienten wieder mit dem Auto fahren.

Die evidenzbasierte Leitlinie wurde von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zusammen mit anderen Fachgesellschaften und -verbänden erarbeitet und ist bis zum 30. November 2022 gültig. Eine Befragung der DDG zeigte, dass bei Diabetikern die Angst, den Führerschein zu verlieren, sehr groß sei und sogar größer als die Sorge vor dem frühzeitigen Tod als Folge der Erkrankung. Nicht nur im Autofahrerland Deutschland stünden Mobilität und Individualverkehr ganz vorn, so Holl. Dies sei sowohl im beruflichen wie privaten Bereich der Fall.

Die S2e-Leitlinie trage dazu bei, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und Diabetiker vor „sozialer Ausgrenzung, beruflichem Niedergang oder Diskriminierung zu schützen“, so Ebert.

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