Vorsicht vor hochdosiertem Vitamin D Nadine Tröbitscher, 12.07.2018 11:25 Uhr
Rechtsverbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe sind längst überfällig, findet die Verbraucherzentrale Niedersachsen, die vor Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) mit hochdosiertem Vitamin D warnt. In der Rubrik „Marktcheck“ wurde eine zufällige Auswahl an NEM genauer unter die Lupe genommen. Geeignet seien nur wenige.
Vitamin D zählt laut Verbraucherzentrale zu den am häufigsten über NEM verabreichten Vitaminen. Dabei sei im Sommer gar kein Bedarf für eine Substitution, denn der Körper könne das fettlösliche Vitamin bei regelmäßiger und ausreichender UVB-Strahlung selbst in der Haut bilden. Vor allem in den Monaten von März bis Oktober könne so bis zu 90 Prozent des Bedarfs gedeckt werden. Eine zusätzliche Einnahme des Sonnenvitamins ist meist nicht erforderlich, im Winter zehre der Körper vom im Sommer abgelegten Depot in Fett- und Muskelgewebe, meint die Verbraucherzentrale.
Dennoch erfreuen sich NEM mit Vitamin D großer Beliebtheit. Marktcheck testete 13 zufällig ausgewählte Produkte: Keins war aus aus der Apotheke, dafür acht aus Reformhaus und Drogerie sowie fünf aus dem Internet. Zu den Prüfkriterien zählten Dosierung, Verzehrmenge und Nährwertkennzeichnung. Als Richtwert dient die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Fachgesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) empfohlene tägliche Höchstmenge von 20 µg. Dieser Wert ist jedoch nicht rechtsverbindlich. Von Produkten in höherer Dosierung gehe nicht zwingend ein toxikologisches Risiko aus, aber diese entsprächen nicht mehr dem Sinn eines NEM, so die Verbraucherzentrale.
Neun der 13 Produkte überschreiten mit 25 bis 100 µg die Höchstmengenempfehlung. „Derart hoch dosierte Produkte erfüllen den Zweck von NEM nicht und können ein Gesundheitsrisiko darstellen“, sagt Janina Willers, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale. Auffällig ist, dass vor allem die bei Amazon bestellten NEM durchfallen. Mit einem Gehalt von 100 bis 1200 µg pro abgeteilter Darreichungsform fallen die Produkte negativ aus und könnten eine Gefahr für die Gesundheit sein.
„Verbraucher sollten diese Produkte unbedingt meiden. Eine regelmäßige tägliche Vitamin D-Zufuhr von über 100 µg kann die Calciumausscheidung über die Niere erhöhen, im fortgeschrittenen Stadium die Nieren schädigen und zum Nierenversagen führen“, so Willers. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat das sogenannte Tolerable Upper Intake Level (UL) von 100 µg festgelegt. Wird diese Menge Vitamin D täglich und langfristig nicht überschritten, seien keine negativen Auswirkungen zu erwarten.
Zufällig ausgewählt wurden: Abtei als Wochendepot, Altapharma Viatmin D 1000 I.E., Anton Hübner Tropfen 800 I.E., Börner, Taxofit D3 1500 I.E. Depot und Tropfen, Doppelherz aktiv 1500 I.E. und Tetesept 1700 aus dem stationären Handel. Online wurden die „Amazon's choice“ Vihado, Tauron, Supptrade, Alpha Foods und Vitabay gekauft.
Im Ergebnis überschreiten nur die Produkte von Anton Hübner, Börner und Vihado die täglich empfohlene Höchstmenge von 20 µg nicht. Abtei entspricht dem Referenzwert nur, wenn die wöchentliche Zufuhr betrachtete werde. Aus Sicht der Verbraucherzentrale ist das Präparat aufgrund des Einnahmeintervalls nur bedingt geeignet.
Bemängelt werden Verzehrangaben von mehr als der Hälfte der Produkte. Vier NEM seien missverständlich und unzureichend deklariert. Alpha Foods empfiehlt, eine Kapsel bei Bedarf zu schlucken, Supptrade und Vitabay sprechen sich für eine Einnahme am 20. und 50. Tag aus. „Praxisfremd“, urteilt die Verbraucherzentrale. Zudem verleite der Hinweis zu einer willkürlichen Einnahme. „Nicht geeignet“, lautet daher das Testurteil.
Auch die Taxofit-Produkte aus dem Hause Klosterfrau schneiden nicht besser ab. Die Einnahmeempfehlung für die Tropfen laute: „Gewünschte tägliche Menge“ zwischen drei bis fünf Tropfen. Dies setze voraus, „dass der Verbraucher in der Lage ist, die angemessene Dosis und den individuellen bedarf beurteilen zu können“, schreibt die Verbraucherzentrale. Die Internetprodukte (außer Vihado) fallen besonders negativ auf.
Das Fazit: Eine Substitution von Vitamin D ist in den meisten Fällen nicht nötig. Auch wenn es sich bei der Höchstmengenempfehlung von BfR nur um einen Schätzwert handele und keine gesetzliche Vorschrift, trage dieser zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher bei. „Viel hilft nicht viel!“
Die Verbraucherzentrale fordert die Hersteller auf, im Sinne des Verbraucherschutzes die Empfehlungen des BfR und der Fachgesellschaften einzuhalten. Packungsgrößen sollten sinnvoll gestaltet und Verzehrempfehlungen unmissverständlich formuliert werden. Außerdem wird die Politik aufgefordert nationale Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in NEM festzulegen.