28 Jahre lang leitete Ursula Höffer ihre Schwanen-Apotheke im sauerländischen Olpe. Doch zum Ende des Berufslebens beschloss sie, den eigenen Betrieb aufzugeben und als Angestellte zu einem benachbarten Mitbewerber zu gehen. Ulf Ullenboom von der Apotheke am Markt freut sich über die Bereicherung für sein Team.
Der 31. Januar war Höffers letzter Tag als selbstständige Pharmazeutin. „Er fiel auf einen Mittwoch, da ist es am Nachmittag ohnehin sehr ruhig. Manche meiner Stammkunden kamen vorbei, der eine oder andere mit einem Blumenstrauß“, erzählt sie. „Wir haben Sekt getrunken, das war ganz locker. Wir wussten ja, dass wir uns wiedersehen.“ Um 18.30 Uhr schloss sie ihre Schwanen-Apotheke ein letztes Mal für den Publikumsverkehr. Schon am nächsten Tag trat Höffer ihren Dienst als Angestellte beim Kollegen schräg gegenüber an.
Den Schritt habe sie ohne Wehmut vollzogen. „Ich habe früher immer voll Stoff gearbeitet, auch mit meinen beiden Kindern. Sie habe ich damals hier sozusagen in die Ecke gestellt und sich selbst überlassen“, sagt Höffer. Bis zuletzt kam die Apothekerin auf 55 Wochenstunden, die ab und an fälligen Notdienste nicht mit eingerechnet. „Als Selbstständige sind sie ja ständig an die Apotheke gefesselt.“ Über die Jahre hinweg sei das zunehmend an die Substanz gegangen.
„Gleichzeitig wurden die bürokratischen Anforderungen in den letzten Jahren immer höher, gerade in der Dokumentation, der Buchführung und im QMS.“ Seit dem 1. Januar kann das Finanzamt in Nordrhein-Westfalen jederzeit zur Kassennachschau vorbeikommen. Dafür muss das Kassenbuch ständig aktuell gehalten werden, viele Apotheken mussten sich dafür neue Kassen anschaffen. „Darauf hatte ich keine Lust mehr“, bekundet Höffer. „Ich musste sehen, dass ich aufhöre, solange ich noch fit bin. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich als einzige Approbierte mal dauerhaft krank gewesen wäre?“
Inzwischen ist sie 60, in den Ruhestand gehen will sie mit 62. „Den Übergang wollte ich langsam vollziehen und meine langjährigen Kunden nicht einfach so ins kalte Wasser werfen“, betont sie. „So können sie erst einmal weiter zu mir zu kommen und sich gleichzeitig an den für sie neuen Apotheker gewöhnen.“
„In den letzten fünf Jahren haben wir immer wieder über die Zukunft gesprochen“, sagt ihr neuer Chef. „Frau Höffer und ich haben uns nie als Konkurrenten gesehen. Wir hatten immer ein gutes, kollegiales Verhältnis.“ Auch seine Frau Ursula ist Pharmazeutin, im praktischen Jahr in Berlin lernten sie sich kennen. Sie kaufte 1989 die Apotheke am Markt in ihrer Heimatstadt Olpe. „Zeitgleich zog ich nach Abschluss meines Pharmaziestudiums zum Zivildienst in die Stadt.“ Sein Schwiegervater besaß die Sonnen-Apotheke am anderen Ende der Stadt. Als er sie 2004 an seine Tochter abgab, übernahm Ullenboom die Apotheke am Markt.
Höffers Wechsel gleiche einer Win-Win-Situation, freut sich ihr neuer Chef. „Die Kunden wissen, dass sie nur einmal über die Straße von der alten Apotheke gehen müssen, um den gewohnten Service zu erhalten. Der Zuwachs macht sich schon positiv beim Umsatz bemerkbar.“ Auch in Olpe herrsche Fachkräftemangel. „Junge Apotheker wollen in den großen Städten bleiben und vielleicht später irgendwann noch mal aufs Land.“ Eine weitere Approbierte entlaste die dünne Personaldecke. „Bei uns ist noch eine Halbtagsapothekerin beschäftigt, die wegen ihrer kleinen Kinder nicht so flexibel ist und lieber vormittags arbeitet. In Urlaubszeiten musste ich immer einen Apotheker dazu buchen, jetzt habe ich eine Vertreterin im Team.“
Endlich habe er zudem die Öffnungszeiten erweitern können, das sei schon lange fällig gewesen, sagt Ullenboom. „Solange Frau Höffer noch ihre eigene Apotheke hatte, wollte ich ihr nicht zumuten, diesen Schritt mit vollziehen zu müssen.“ Morgens steht die Offizin immer bereits eine halbe Stunde früher ab 8 Uhr offen. Das komme vor allem den vielen Methadon-Substituierten zugute. „Sie kommen schon früh vom Arzt im benachbarten Attendorn und müssen jetzt nicht mehr lange vor der Tür stehen.“
Am Samstag kommt eine weitere halbe Stunde dazu. „Die Menschen leben samstags nicht nach der Uhr“, hat der Apotheker erfahren. „Sie gehen zum Shopping, denken sich, sie könnten noch in die Apotheke, und wundern sich, wenn die bereits zu hat.“
Die Schließung der Schwanen-Apotheke führe zu keinem Engpass in der Patientenversorgung, sagt Ullenboom, der auch Vorsitzender des Apothekerverbandes im Kreis Olpe und Kreisvertrauensmann der Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist. „Hier in der Stadt mit ihren 26.000 Einwohnern gibt es noch sieben Apotheken auf engstem Raum. Das entspricht etwa 3700 pro Betrieb“, berichtet er. „Die Apotheken können wirtschaftlich arbeiten, weil die Infrastruktur an Ärzten, Verwaltungseinrichtungen und Schulen so gut und die Kaufkraft sehr hoch ist. Viele Menschen von außerhalb kommen zum Shopping nach Olpe.“ Das benachbarte Drolshagen mit seinen 12.000 Einwohnern komme dagegen mit zwei Apotheken gut aus. „Eine dritte würde sich nicht rentieren, weil die Kaufkraft und die Ärzte fehlen.“
Mit den Medizinern stehe und falle auch die Existenzsicherung der Apotheken, meint Ullenboom. „Wir haben viele Ärzte, die schon alt sind und ersetzt werden müssen, viele finden aber keinen Nachfolger mehr.“ In Olpe habe die Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen vorgesorgt. „Im Medizinischen Versorgungszentrum sind viele Praxen zusammengefasst, die Ärzte arbeiten jetzt im Angestelltenverhältnis, aber sie sind noch da.“
Dieses Glück haben andere im Kreis nicht. „Manche Apotheker engagieren sich sehr für ihre Patienten und nehmen darüber noch in Kauf, dass ihr Ertrag immer weiter abnimmt.“ Doch viele kleine Betriebe werden in der Region in den nächsten Jahren noch sterben, sage ihm sein Bauchgefühl. Von seiner ehemaligen Mitbewerberin könne er viel lernen, bekundet Ullenboom. „Ich hab bisher meinen eigenen Stiefel durchgezogen. Sie dagegen hat rechtzeitig die Reißleine gezogen und ihre Kunden einfach an die Hand und zu uns mit genommen.“
Ihren Entschluss hat Höffer keine Sekunde bereut. Derzeit wickelt sie zusätzlich zu ihrer neuen Stelle ihre Schwanen-Apotheke ab. „Das Lager muss geräumt werden, auch das ganze Mobiliar steht noch da.“ Doch der selbst gewählte Vorruhestand tut ihr nach eigenem Bekunden schon jetzt richtig gut. Mittlerweile arbeitet die Apothekerin 40 Stunden, demnächst will sie auf 30 Stunden reduzieren. „Damit bin ich sehr zufrieden. Jetzt habe ich mehr Zeit für meine Hobbys.“
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