Auf bundesweite Schließungen von Schulen und Kitas konnten sich Bund und Länder nicht einigen. Man habe sich auf die Möglichkeit verständigt, regional, je nach Ausbruchsgeschehen des Coronavirus zu reagieren, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Gesprächen mit den Ministerpräsidenten in Berlin sagte. Dennoch greifen schon sieben Länder zu dieser Maßnahme. Experten halten sie für unerlässlich, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Schulen und Kindergärten in ganz Deutschland sollten nach Ansicht des Virologen Alexander Kekulé geschlossen bleiben, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzudämmen. Bundesweite Schließungen seien seiner Meinung nach „absolut alternativlos“, sagte er am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Jedes infizierte Kind würde statistisch gesehen zwei bis drei andere Kinder anstecken. Das würde eine „Infektionslawine“ auslösen, die nur schwer zu stoppen sei.
Kekulé kritisierte: „Die Politik läuft hier leider seit Wochen der Entwicklung hinterher.“ Die gemeldeten Zahlen zu Infizierten würden nur einen Stand von vor zehn Tagen wiedergeben. Grund sei die Inkubationszeit des Virus Sars-CoV-2 einerseits, sowie die Zeit, die bis zur Diagnose vergehe andererseits. Deshalb forderte Kekulé „proaktives Handeln“ von den Verantwortlichen. Als Beispiel nennt er den Sonderurlaub von bis zu zehn Tagen pro Jahr, den Eltern nehmen können, wenn ihr Kind krank ist. Die Bundesregierung solle klarstellen, dass Eltern diesen Urlaub auch für die Quarantäne nehmen könnten.
Der frühere Präsident der Bundesärztekammer und heutige Vorsitzende des Weltärztebundes, Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, hält dagegen nichts von flächendeckenden Schulschließungen. Im RBB-Inforadio sagte er am Freitag: „Flächendeckende Schulschließungen machen in meinen Augen überhaupt keinen Sinn, weil die Folgeprobleme bei Familie, bei Krankenhäusern [und] bei allen anderen einfach viel größer sind.“
Montgomery sprach sich stattdessen für regionale Schulschließungen aus, in Gebieten, in denen die Krankheit verstärkt auftritt.
„Regionale Schulschließungen – dort wo Cluster von Infektionen sind, oder [...] wo es nicht kontrollierbare Grenzen mit dem Zufluss von Infizierten gibt – machen Sinn.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstagabend gesagt, Menschen sollten wo immer möglich auf Sozialkontakte verzichten. Eine vorübergehende Schließung von Kindergärten und Schulen etwa durch das Vorziehen der Osterferien sei eine Option. Die Situation in Deutschland sei unterschiedlich. Merkel sprach von einem „dynamischem Ausbruchsgeschehen“. Nach „Maßgabe der Dinge“ würden es nach und nach mehr Regionen sein. Man müsse damit rechnen, dass das Infektionsgeschehen vor keiner Region haltmache. Die ersten Bundesländer ziehen derzeit Konsequenzen.
Als erstes Bundesland hat das Saarland in der Nacht zu Freitag bekanntgegeben, dass wegen des Coronavirus landesweit Schulen und Kindertagesstätten bis Ende der Osterferien geschlossen werden. Dies geschehe aufgrund der Situation des Saarlandes als Grenzland, teilte die Staatskanzlei in der Nacht zu Freitag mit. Eine Notbetreuung für Familien werde sichergestellt. Damit solle die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden.
Schulen und Kitas sollen ab kommendem Montag geschlossen bleiben. Am Freitag berät im Saarland die Ministerkonferenz über das weitere Vorgehen. Die Minister treffen sich in einer außerordentlichen Sitzung. Wie es um die Abiturprüfungen im Saarland steht, sei im Vorfeld der Sitzung noch nicht klar, teilte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit.
„Es braucht jetzt Entscheidungen mit klarem Kopf, die unweigerlich auch eine Einschränkung des öffentlichen Lebens mit sich bringen“, teilte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) mit. Das Saarland stehe mit seiner direkten Nähe zu den Nachbarländern Frankreich und Luxemburg ebenso wie andere Grenzländer innerhalb Deutschlands vor besonderen Herausforderungen. In Haut-Rhin im nahe gelegenen Risikogebiet Grand Est seien bis Donnerstag mit 359 infizierten Personen rund 61 Prozent der bestätigten Infektionen der Region aufgetreten, teilte die französische Botschaft in Deutschland mit.
Wegen der Coronavirus-Krise schließt Bayern von Montag an alle Schulen. Bis zum Beginn der Osterferien am 6. April werden alle Kindergärten, Schulen und Kitas geschlossen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen erfuhr. Damit sind in Bayern faktisch bis zum 20. April die Bildungseinrichtungen geschlossen. Die Staatsregierung will Details zum Vorgehen am Freitag bei einer Pressekonferenz in München bekanntgeben.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Donnerstag in Berlin erklärt, dass landesweite Schulschließungen in Bayern notwendig werden könnten, um Situationen wie in Italien zu verhindern. Im Freistaat wurden (Stand Donnerstag) mindestens 500 Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet. In Italien sind die Schulen schon länger landesweit geschlossen, auch in Frankreich wurde dies am Donnerstag angeordnet.
Allerdings erklärte Söder auch, dass eine solche Entscheidung viele Folgefragen aufwerfe, die beantwortet werden müssten. Dazu gehört in Anbetracht der Infektionslage auch der Umgang mit Pflegeheimen. Über genau diese Fragen hatten die Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag bei ihrer Konferenz in Berlin keine Einigkeit erzielen können. Einige Länderchefs waren dem Vernehmen nach nicht von Schulschließungen zu überzeugen.
Für die Betreuung bestimmter Kinder ein Notfallplan in Kraft. „Wir werden eine Betreuung sicherstellen für Eltern, die in systemkritischem Berufen tätig sind“, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Freitag in München.
Angesichts der steigenden Zahlen von Infizierten mit dem neuartigen Coronavirus stellen Schulen und Kitas in Berlin von
nächster Woche an stufenweise ihren Betrieb ein. Das teilte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Freitag mit. Die Schließung soll am Montag mit den Oberstufenzentren beginnen.
Auch Niedersachsen schließ wegen der Ausbreitung des Coronavirus alle Schulen. Sie bleiben von Montag an dicht. Nach zwei Wochen außerplanmäßiger Schließung würden am 30. März nahtlos zwei Wochen Osterferien beginnen.Bereits am Donnerstag hatte es Medienberichte gegeben, dass von Montag an eine zweiwöchige Schulschließung geplant sei.
Bremen hat die Schließung von Schulen und Kitas ab Montag beschlossen. Der Senat sehe diese Maßnahme als notwendig an, um die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, teilte die Landesregierung (Senat) am Freitag nach einer Sondersitzung mit. Über Einzelheiten wollten Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und drei Senatorinnen am Mittag bei einer Pressekonferenz informieren.
In Nordrhein-Westfalen schließen wegen des Coronavirus in der kommenden Woche alle Schulen bis zu den Osterferien. Das hat das Kabinett am Freitag entschieden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus der Landesregierung erfuhr. Der genaue Schließungstag war zunächst noch offen – die Rheinische Post berichtete, dass die Schulen spätestens am Mittwoch geschlossen werden sollen. Damit ist Nordrhein-Westfalen das siebte Bundesland, das flächendeckende Schließungen plant.
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) betonte, dass Schulen „Orte sozialer Kontakte“ seien, wie sie Merkel am Donnerstag angesprochen habe. Die Schulministerin sagte, dass bei möglichen Schulschließungen ab Montag auf einen Schlag 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche ohne geregelte Betreuung wären. „Großeltern können nicht dazu gezogen werden“ um zu helfen, sagte Gebauer – denn die sollten ja gerade geschützt werden. Die Frage sei, wie man dann mit Kindern umgehe, die Betreuung brauchten.
Baden-Württemberg schließt von Dienstag an alle Schulen und Kindertagesstätten bis zum Ende der Osterferien. Das teilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Freitag in Stuttgart mit. Auch andere Bundesländer hatten zuvor angekündigt, landesweit alle Schulen und Kindertagesstätten bis Ostern zu schließen.
Die Landesregierung beschloss die Maßnahme am Freitag bei einer Sondersitzung des Kabinetts. In Baden-Württemberg besuchen derzeit rund 1,5 Millionen Schüler allgemeinbildende oder berufliche Schulen. Rund 444.000 Kinder wurden 2019 in Kindertageseinrichtungen betreut.
Das Land ist aus Sicht des Elternbeirates auf allgemeine Schulschließungen bis Ostern absolut nicht vorbereitet. „Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind“, sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees, der Deutschen Presse-Agentur vor der Kabinettssitzung. Rees wies auf die Lage von Schülern hin, die mitten in Prüfungsvorbereitungen steckten, etwa aufs Abitur lernen. Der Elternbeirat erwarte umfassende Antworten von der Regierung.
Die Schließung aller Schulen und Kindergärten im Land hätte nach Ansicht der Gymnasiallehrer dagegen deutlich früher beschlossen werden müssen. „Das Bewusstsein für den Ernst der Lage ist bei der Landesregierung erst langsam gereift“, sagte Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg. Die Schulen hätten zu lange für sich und unterschiedlich entschieden.
Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung seien dringend nötig, damit sich in den kommenden Wochen in Baden-Württemberg nicht Zehntausende infizierten. Kultusministerin Eisenmann hatte sich bislang gegen pauschale Schulschließungen ausgesprochen und die Forderung des Philologenverbands nach einer präventiven Schließung aller Schulen als „unverantwortlich“ bezeichnet.
Die Zahl der Infizierten im Land stieg bis Donnerstagabend auf 454. Nach einem 67-Jährigen ist ein weiterer mit dem Coronavirus infizierter Mensch gestorben. Es handele sich um einen 80-Jährigen aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen), der in einer Klinik behandelt wurde und positiv auf das neuartige Virus getestet worden war, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag mit. Der Mann sei der zweite Tote in Zusammenhang mit der Pandemie in Baden-Württemberg.
Die Schulen und Kitas in Schleswig-Holstein bleiben von Montag an bis zum 19. April geschlossen. Das teilten das Bildungsministerium und das Geseundheitsministerium am Freitag in Kiel mit. Schleswig-Holstein ist damit das sechste Bundesland, das sich zu einem solchen Schritt entschließt. Die Ferien beginnen im Norden regulär am 30. März.
Der Lehrbetrieb an den Hochschulen sowie der Betrieb an staatlichen Museen und Opern wird ausgesetzt. Die Umsetzung erfolge derzeit auf Anordnungen des Ministeriums in Abstimmung mit den Beteiligten, teilte Garg am Freitag in Kiel mit. „Studierende sollen nicht in die Hochschulen kommen“, hieß es.
Außerdem forderte Garg die allgemeinversorgenden Krankenhäuser auf, planbare Aufnahmen aussetzen, beziehungsweise ab sofort zu reduzieren, um Aufnahmekapazitäten für Covid-19-Patienten bereit zu halten. Ebenfalls verfügte das Ministerium, dass die Kliniken zum Schutz von Patienten sowie Mitarbeitern ein Besuchsverbot beziehungsweise restriktive Einschränkungen der Besuche mit Ausnahmen für medizinisch oder ethisch-soziale Besuche – etwa auf Kinderstationen oder von Palliativpatienten – umsetzen. Bis Donnerstagabend waren im Norden 35 Menschen an Covid-19 erkrankt, zwei von ihnen müssen im Krankenhaus behandelt werden.
Hamburgs Schulbehörde will am Freitagvormittag über die aktuellen Planungen rund um die mögliche Schließung von Schulen wegen des Coronavirus informieren. Das Update sei für den frühen Vormittag geplant, sagte Behördensprecher Peter Albrecht der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Hamburg. „Selbst, wenn Schulen geschlossen werden müssten, wird es in jedem Fall Betreuungsangebote geben“, sagte Albrecht weiter.
Auch in Hessen werden landesweit die Schulen geschlossen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Wiesbaden am Freitag aus Regierungskreisen. Unter Führung von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) will das Kabinett am Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen und ein Maßnahmenpaket beschließen.
Auch Sachsen-Anhalt schließt von Montag an die Schulen Kitas im Land. Die Regelung gelte bis zum 13. April, teilte die Landesregierung am Freitag in Magdeburg mit.
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