Verteidiger wollen plädieren Alexander Müller, 23.11.2018 13:35 Uhr
Das Verfahren um den mutmaßlichen Datendiebstahl aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) treibt seit Monaten ohne erkennbares Ziel vor sich hin. Am heutigen 29. Verhandlungstag regte der Verteidiger des Mitangeklagten Thomas Bellartz, Rechtsanwalt Professor Dr. Carsten Wegner, an, im nächsten Termin am 30. November zu plädieren. Das Gericht hat sich dazu noch nicht geäußert, so dass in der kommenden Woche mindestens noch ein „normaler“ Verhandlungstag vor dem großen Finale über die Bühne gehen wird.
Zunächst hat das Gericht heute mehrere Anträge der Verteidigung abgearbeitet und unisono abgelehnt. Darin ging es unter anderem um die Zeugenvernehmung ehemaliger Sprecher des BMG, verschiedener Ermittler des LKA sowie Mitarbeiter des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik (BSI). Das Gericht sieht es für die Schuldfrage nicht als bedeutend an, wie Informationen aus dem Ermittlungsverfahren vorab an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Rechtsanwalt Wegner erhofft sich jetzt von der Staatsanwaltschaft im Plädoyer endlich eine Positionierung. Er hatte mit zahlreichen Anträgen und Nachfragen Staatsanwaltschaft und Gericht dazu aufgefordert, die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zu konkretisieren. Bellartz wird vorgeworfen, dem Angeklagten H., früher ein IT-Administrator im BMG, Geld für Informationen aus dem Ministerium geboten zu haben. Aus Sicht der Verteidigung hängt die Anklage in der Luft, da bei Bellartz im Rahmen der Durchsuchung keine einzige E-Mail oder sonstige heikle Dokumente gefunden worden waren. Das Gericht hat mittlerweile 38 von ehemals 40 angeklagten Fällen nach §154 StPO eingestellt und aus den beiden verbliebenen Fällen die Frage des Bundesdatenschutzsgesetzes ausgeklammert.
Während im Prozess seit April kein einziger Zeuge mehr gehört wurde, sind immer mehr Pannen auf Seiten der Ermittlungsbehörden zutage getreten. E-Mails wurden nachträglich gelöscht, Fristen zur Wiederherstellung verstrichen und Korrespondenzen zwischen LKA und der Staatsanwaltschaft sowie einzelnen Zeugen wurden offenbar gezielt aus den Ermittlungsakten herausgehalten. Das Gericht hat diese Mängel zwar gerügt, sieht aber auch darin keine besondere Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfrage. Eine konkrete Einschätzung behält sich der Senat für seine Schlussberatung vor.
Wegner würde das Verfahren jetzt gerne zum Abschluss bringen. „Die Verteidigung des Herrn Bellartz ist jedenfalls bereit.“ Es sei denn, die Staatsanwaltschaft finde weitere Akten oder gelöschte Daten, stichelte der Anwalt. Auch die „Stasi-Floskeln“ in Korrespondenzen der Ermittler oder den Parkbank-Vorfall hat Wegner bereits mehrfach ins Feld geführt, um die aus seiner Sicht absurden Wendungen zu belegen, die dieser Fall inzwischen genommen hat.
Abschenken würde Wegner natürlich nicht: Sollte das Gericht weiter verhandeln wollen, beantragte er vorsorglich die Verlesung einer E-Mail des Chefermittlers an die Staatsanwältin aus dem April 2014. Darin ging es um eine Anfrage des BMG zur Verbesserung des eigenen Sicherheitskonzepts an das LKA.
Der Verteidiger würde die damals Beteiligten gerne als Zeugen vernommen wissen. Sie könnten nämlich bestätigen, dass IT-Administratoren im BMG – und damit auch der Angeklagte H.– Zugriff auf alle E-Mail-Postfächer im Ministerium hatten, ohne eine Zugangssicherung überwinden zu müssen. Aus der Korrespondenz ergebe sich, dass die Sicherung erst lange Zeit nach den jetzt verhandelten Vorfällen vorgenommen worden sei. Da H. die „Schlüssel“ vom BMG selbst erhalten habe, könne er auch nicht wegen Diebstahls verurteilt werden, so das Argument.
Nach Auffassung der Verteidigung hat das Gericht sogar schon selbst eingeräumt, dass eine Strafbarkeit des H. schon nicht gegeben sein könne, da es „internen Üblichkeiten“ entsprochen habe, dass die IT-Administratoren auf dienstliche Veranlassung hin auf einzelne E-Mail-Postfächer zugegriffen hätten. Der maßgebliche § 202a StGB greife also nicht. Das Berliner Landgericht würde aus Wegners Sicht sogar Rechtsgeschichte schreiben, wenn der Fall mit diesen Vorzeichen in einem möglichen Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen würde.
H.s Verteidiger Nikolai Venn schloss sich den Ausführungen Wegner sowie dessen Anträgen an. Nun ist es a Gericht, ob es das Verfahren bald zu einem Ende führen möchte. Termine sind jedenfalls bis ins neue Jahr vergeben. Vorerst geht es am 30. November weiter.