Zyto-Pfusch

Verteidiger wollen Erklärung abgeben

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Berlin -

Der erste Prozesstag gegen den mutmaßlichen Pfusch-Apotheker aus Bottrop ist vorbei. Die Anklage wurde verlesen, Peter S. schweigt. Jetzt bekommen seine Verteidiger die Möglichkeit, sich zu äußern. Sie haben angekündigt, ein Eröffnungs-Statement zu verlesen.

Die Möglichkeit zu dieser Art von Erklärung gibt es erst seit diesem Sommer. Sie bedeutet allerdings nicht, dass sich der Angeklagte selbst über seine Anwälte zu den Vorwürfen äußern wird. Das Recherchekollektiv Correctiv berichtete am Wochenende, dass die Verteidigung eine Angriffsstrategie fahren wolle. „Sie bezweifeln die Buchhaltung der Alten Apotheke und die Wissenschaftlichkeit der Analysen der bei der Razzia sichergestellten Infusionen“, hieß es. Notfalls sollten kleinere Vergehen zugegeben werden, um S. vor dem Vorwurf zu schützen, tausenden Patienten lebensrettende Medikamente vorenthalten zu haben.

Nach Ansicht der Anwälte habe die Buchhaltung der Alten Apotheke nicht gestimmt, der tatsächliche Warenbestand an vorhandenen Krebsmitteln sei gar nicht verzeichnet gewesen. So seien Zytostatika aus den Jahren von 2001 bis 2012, die in der Apotheke noch gelagert hätten, nicht erfasst gewesen. Auch seien Restmengen aus angebrochenen Packungen genutzt worden, genauso wie abgelaufene und beschädigte Packungen, die nur auf dem Papier an die Hersteller zurückgeliefert worden seien. Die Dokumentation der Hersteller sei zudem fehlerhaft: Sie hätten mehr an die Alte Apotheke geliefert, als in ihren Büchern stünde.

Laut Staatsanwaltschaft, so Correctiv, ist das Unfug: Bei den angegebenen Summen seien die Mengen viel zu gering, die S. auf dem Schwarzmarkt eingekauft oder aus Überfüllungen genutzt haben will. Zudem sei die Vielfalt der gepanschten Mittel viel zu groß, als dass man sie mit diesen einzelnen, krummen Geschäften erklären könne.

Die Anwälte von S. behaupten laut Correctiv, die bei der Razzia beschlagnahmten Infusionen seien kein Beweis. Sie hätten die Apotheke nicht verlassen, S. hätte sie also noch nicht freigegeben. Er hätte sie noch korrekt zubereiten können. Außerdem sei gar nicht nicht möglich, das Konzentrat von Zytostatika in Infusionen nachträglich zu bestimmen, so die Anwälte. Sie legen demnach ein Gutachten vor, das belegen soll, dass die Untersuchungen des Landeszentrum Gesundheit NRW und des Paul-Ehrlich-Institut keine Beweiskraft hätten.

Weiterhin argumentiere die Verteidigung, es gebe keine Zeugen, die gesehen hätten, dass S. Medikamente gestreckt habe. Er habe bevorzugt in den frühen Morgenstunden alleine in seinem Labor gearbeitet, um Zeit zu sparen. Dass S. dabei gegen das gesetzlich vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip bei der Herstellung von Zytostatika verstoßen hat, nehmen die Verteidiger laut Correctiv hin.

Auch gestehen sie Ankäufe auf dem Schwarzmarkt ein: Mindestens einem Pharmavertreter habe S. demnach Zytostatika in einem Parkhaus „aus dem Kofferraum“ abgekauft – alleine 2014 soll er unter anderem für diese Geschäfte mehr als 200.000 Euro aus der Kasse der Apotheke genommen haben.

Erfolg für die Opfer: Das Gericht machte bei Prozessauftakt klar, dass alle Patienten, die nachweislich Medikamente aus der Bottroper Apotheke bekommen haben und auf der Liste stehen, die den Ermittlern vorliegt, als Nebenkläger infrage kommen. Ebenso Personen, die durch die Tat zu Schaden kamen oder einen Angehörigen verloren haben. Die Staatsanwaltschaft war in diesem Punkt restriktiv vorgegangen, da aus ihrer Sicht nur schwer nachzuweisen ist, welche Personen konkret mit gestreckten Infusionen behandelt wurden und dass daraus ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist.

Ein tragischer Krankheitsverlauf oder das Ausbleiben von Nebenwirkung seien im Einzelfall kein ausreichender Beweis. Ein Gutachten des Tumorforschers Professor Dr. Martin Schuler von der Uni-Klinik Essen kommt zu dem Schluss, dass der Schaden „bei einer Minderdosierung nicht zu quantifizieren“ sei. Somit sei unklar, ob die Krebspatienten bei richtiger Dosierung länger gelebt hätten. Laut Ärzten und Gesundheitsamt Düsseldorf könnte eine Fall-Kontroll-Studie Aufklärung bringen: Hier würden die Krankheitsverläufe von Patienten, die aus Bottrop Medikamente bekamen, mit der Krankheitsgeschichte einer vergleichbaren Gruppe abgeglichen werden.

Zunächst geht es am zweiten Prozesstag aber um einen der beiden Schöffen, der selbst jahrelang in einer Apotheke in Bottrop gearbeitet haben und damit einem Anwalt der Nebenkläger zufolge womöglich befangen sein soll. Dies hat auch damit zu tun, dass die Frau des Pharmazeuten selbst von einem Onkologen behandelt wurde, der wiederum als Entlastungszeuge benannt wurde. Die Verteidiger rügen dagegen, dass eine zunächst vorgesehene Schöffin wegen einer angeblich unwichtigen Operation ausgetauscht wurde. Eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts kann als Verfahrensfehler angegriffen werden.

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