Arzneimittelkriminalität

alles-rezeptfrei.net: Apotheker als Absender

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Berlin -

Wer auf der Suche nach verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist und dafür kein Rezept einsenden will, findet im Internet zahllose Angebote – von DrEd über Dokteronline bis hin zur reinen Abzocke. Der jüngste Betrugsfall ist besonders dreist: Die Website alles-rezeptfrei.net benutzt für ihre Werbung die Adressen und Namen von Apothekern aus ganz Deutschland.

Apothekerin Regine Möllmann fiel aus allen Wolken. Die Inhaberin der Ursus Apotheke im Berliner Bezirk Tempelhof wurde vor einiger Zeit von einem Anzeigenberater angerufen. Ob sie nicht für ihre Online-Apotheke alles-rezeptfrei.net werben wolle? Möllmann war geschockt. Nein, die Website kannte sie nicht. Und überhaupt: Sie betreibe gar keine Versandapotheke.

Dann wurde sie fündig: Auf einem Portal, in dem Unternehmen kostenlos Produkt- und Presseinformationen einstellen können, hatten die Betreiber von alles-rezeptfrei.net eine Pressemitteilung unter ihrem Namen eingestellt. Telefonnummer und Mailadresse waren frei erfunden. Möllmann stellte Strafanzeige.

Damit nicht genug: In der Mitteilung selbst warben die Betreiber der ersichtlich illegalen Website damit, vom Deutschen Institut für Service-Qualität (DISQ) mit der Note „Sehr gut“ bewertet worden zu sein. Ein Blick in die Studie, beauftragt vom Nachrichtensender n-tv, stellt hingegen klar: Die Website wird dort noch nicht einmal erwähnt.

Bei alles-rezeptfrei.net gibt es keine Siegel oder Sicherheitsmerkmale. Nur das eine simple Leistungsversprechen: Hier gibt’s alle Arzneimittel ohne Rezept. Angeboten wird alles, was das Herz einer bestimmten Kundenklientel höher schlagen lässt: Clenbuterol für Sportler, die mit ihrem Training alleine nicht weit genug kommen. Ritalin für Klausuren-geplagte Studenten. Anabolika für Bodybuilder. Potenzmittel von Levitra bis Viagra für alle, die ihre Leistungsfähigkeit andernorts optimieren wollen. Dies alles und vieles mehr lässt sich ganz problemlos auf der Website ordern, und zwar ohne Rezept. Tilidin wird neben Testosteron-Injektionen ebenso angeboten wie Vicodin neben Xenical und Reductil.

Im Impressum gibt es keine Kontaktdaten, die Bestellung läuft nur gegen Vorkasse. Dumpingpreise findet man nicht. Eine Packung mit 200 Tabletten 0,4 Mikrogramm Clenbuterol kostet 62,90 Euro. Hat man die Bestellung ausgelöst, soll der Betrag auf ein Konto der spanischen Bank Cajamar überwiesen werden. Spanisch kommt einem auch der Kontoinhaber vor: Mario German Bueno Ospina. Der Name ist zwar frei erfunden, aber unbekannt ist er nicht. Er taucht auch im Zusammenhang mit der Website medikamenterezeptfrei.biz auf, die mittlerweile abgeschaltet ist.

Geliefert wird bei alles-rezeptfrei.net anscheinend nicht. Zu den Opfern, ob nun aus reiner Neugier, Verzweiflung oder Sucht, gehören auch die Besteller. Wenigstens bleiben sie so von Fälschungen verschont, möchte man meinen.

Möllmann ist nicht die einzige Apothekerin, deren Namen und Kontaktdaten sich die Betrüger schamlos zunutze machen. Auf weiteren PR-Portalen lancierten sie Pressemitteilungen, einige davon sogar mit pseudo-wissenschaftlichem Hintergrund. Als Absender tauchen immer seriöse und reale Apotheken auf – etwa aus Köln, Bremen, Leipzig oder Berlin.

Alle betroffenen Kollegen waren ahnungslos, wussten nichts von ihrem zweifelhaften Glück. Dorothea Böhm, die die Rosegger Apotheke im Frankfurter Stadtteil Eschersheim betreibt, war fassungslos. Sie wandte sich umgehend an die Apothekerkammer. Dort will Justiziarin Daniela Pach Maßnahmen prüfen: Sollte es gelingen, die Betreiber ausfindig zu machen, könne man einen Unterlassungsanspruch durchsetzen. Die Chancen dafür stünden aber schlecht.

Betroffen sind auch Pharmahersteller. Sie werden auf der Website als Referenz angegeben. Wie bei illegalen Websites üblich, soll das „Who is Who“ der internationalen Pharmaszene für Glanz und Seriosität sorgen. Allerdings tauchen auch andere, eher unbekannte Namen auf, darunter beispielsweise als Produzent des Medikaments Clenbuterol das Unternehmen Balkan Pharmaceuticals. Die Firma hat ihren Sitz in Moldawien und genießt einen zweifelhaften Ruf in der Bodybuilder-Szene.

Die Betreiber der Portale, auf denen alles-rezeptfrei.net seine PR-Texte schaltete, verweisen darauf, dass allein die Autoren für den Inhalt verantwortlich seien. Also müssen sich die betroffenen Apotheker selbst um eine Löschung kümmern. Böhm, die sich auf mehreren Portalen als angebliche Autorin für allerlei Inhalte wiederfand, ließ alles erfolgreich löschen. Das lief meist kommentarlos und unkompliziert; eine Entschuldigung kam allerdings nur von einem einzigen Betreiber.

Die Spurensuche nach den eigentlichen Urhebern dürfte erfolglos bleiben. Denn die nutzen Internetadressen, die in eine Sackgasse führen. Selbst die Xing-Profile sind gefälscht. Vermutlich werden die Betrüger ihre Identität bald wieder wechseln. Dann heißt es: neue Kunden, neue Opfer. Nur die Täter bleiben die selben.

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