Die Nachfrage nach Schnelltests ist weiter groß. Apotheken versuchen vielerorts, den Ansturm zu bewältigen. Dazu bedarf es mehr Personals und eines größeren Angebots. Die langen Schlangen vor den Testzentren erfordern sogar polizeiliche Unterstützung.
Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss ein negatives Ergebnis eines Antigen-Schnelltests vorzeigen, um zur Arbeit gehen zu dürfen. Dieses darf nicht älter als 24 Stunden sein. Aufgrund der seit Mittwoch bundesweit geltenden Vorschrift ist der Ansturm auf Testzentren hoch. Dazu kommt die vielerorts geltenden Regelungen von 2G+, etwa für Besuche von Freizeitveranstaltungen. Weil viele Anbieter ihre Teststellen im Sommer wegen der geringen Nachfrage geschlossen haben, bilden sich jetzt lange Schlangen vor den verbliebenen Stellen.
Vor der Drive-In-Teststelle in Beckum, die von Apotheker Matthias Bußmann mitorganisiert wird, gab es vergangene Woche einen großen Rückstau: Die Autoschlange sei zwischen zwei und drei Kilometer lang gewesen, sagt er. Die Mitarbeiter wussten nicht, wie sie die Nachfrage bewältigen konnten. Der Apotheker informierte die Polizei und bat um Mithilfe, um das Verkehrschaos aufzulösen. Sogar der Landkreis Warendorf warnte die Testanbieter vor erheblichen Verkehrsstörungen und bat darum, die Abläufe anzupassen. „Wir haben unser Testangebot von sieben auf vier Teststellen reduziert und überlegen jetzt, noch ein weiteres Drive-In zu eröffnen.“
Der Andrang sei kaum zu schaffen, sagt Bussmann. In Ahlen habe es am Sonntag wieder großen Andrang gegeben. Die Schlange sei 250 Meter lang gewesen. Auch in diesem Fall wurde die Polizei hinzugeholt, da die Menschen bis zu einer Bahnüberführung standen. Termine würden nicht vergeben, da in Höchstzeiten 250 Tests pro Stunde durchgeführt würden. „Unser Problem ist das Personal. Wir haben wegen dem Ende der kostenlosen Bürgertests erheblich reduziert und wenn die Infrastruktur einmal zerschlagen ist, ist es schwer, wieder Leute zu finden.“
Auch die Arkaden-Apotheke in Berlin Prenzlauer Berg wird aktuell von beiden Seiten überrannt. Apothekerin Claudia Heidl und ihr Team haben durchgehend getestet – auch als die Bürgertests vorübergehend nicht für alle kostenlos waren. Die Teststelle ist trotz eingespielten Terminmanagements hoffnungslos überlaufen. Sie befindet sich an der Außenseite der Apotheke in belebter Lauflage direkt an der zentralen S-Bahn-Station. Hier wollen sich viele Menschen spontan testen lassen. Die Apotheke vergibt Termine in einem Rhythmus, der auch spontane Kund:innen zulässt.
Eigentlich gab es auf der anderen Seite des Einkaufscenters noch eine zweite Teststation, doch die habe kurzfristig geschlossen, berichtet Heidl, den Grund kenn sie nicht. Umso heftiger ist der Ansturm bei ihr in der Apotheke. Besonders ärgerlich für Heidl: Die Apotheke hat so viel getestet, dass die Kassenärztliche Vereinigung Berlin misstrauisch wurde: Weil in den ruhigeren Monaten der Pandemie fast keine positiven Tests gemeldet wurden, hatte Heidl Besuch von einem Inkassounternehmen. Derzeit halte die KV aus diesem Grund auch die Auszahlung zurück. „Wir machen und tun und werden dann noch so behandelt“, ärgert sich Heidl.
Viel Zeit sich aufzuregen, hat die Inhaberin aber nicht: Sie muss los und neues Tests besorgen, denn die sind derzeit Mangelware. Ein Schnelltest-Großhändler hat heute wieder Ware. Der würde zwar auch liefern, aber nur gegen Vorkasse und darauf will sie Heidl in der aktuellen Situation bei einem ihr unbekannten Lieferanten lieber nicht verlassen. Also will sie die Ware im Bezirk Charlottenburg erst selbst in Augenschein nehmen und dann kaufen.
Zu dem Stress mit den Tests kommt die Impfzertifikate: Im Center befindet sich ein Impfzentrum, die Menschen stehen Heidl zufolge vier bis sechs Stunden Schlange, um ihre Impfung zu bekommen. Und anschließend brauchen alle ein Zertifikat – und kommen in die Arkaden-Apotheke.
Weil in Berlin außerdem neuerdings der gelbe Impfausweis nicht mehr ausreicht, um in Restaurants oder Bars zu gehen, lassen sich auch viele schon früher Geimpfte aktuell ein digitales Zertifikat ausstellen. Heidl hat sich an die Schlangen in der Apotheke gewöhnt: „Man muss das irgendwann ausblenden, dass die Leute so lange warten müssen. Es tut mir auch leid, aber mehr als arbeiten können wir nicht“, so die Inhaberin. Dazu kommt noch der Ärger mit den Impfpassfälscher:innen: Beinahe jeden Tag ruft das Team der Arkaden-Apotheke die Polizei, weil jemand ein mutmaßlich gefälschtes Dokument vorlegt.
Am Dienstag vor dem Inkrafttreten der neuen 3G-Regel war auch im Testzentrum der Apotheke am Osttor besonders viel los. Die Nachfrage sei enorm gestiegen, sagt Apothekerin Eva Tingelhoff. Mehr als 300 Menschen wollten sich testen lassen. Zuvor habe die Zahl bei 20 bis 30 am Tag gelegen, als die Nachweise noch selbst gezahlt werden mussten.
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