Schlechte Noten für Gynäkologen APOTHEKE ADHOC, 19.07.2016 14:37 Uhr
Die Verbraucherzentrale Hamburg und das ZDF-Magazin „Frontal 21“ haben die Beratung von Gynäkologen zur Empfängnisverhütung unter die Lupe genommen: Viele Frauenärzte klären danach nur unzureichend über die Verhütungsmethoden auf. Sie verharmlosten Risiken, verschwiegen ungefährliche Alternativen und gäben Werbebroschüren der Pharmaindustrie als Aufklärungsmaterial weiter. Drei Viertel der Frauenärzte schnitten demnach mit den Noten ausreichend und mangelhaft ab.
Die Verbraucherzentrale und Frontal21 haben zusammen die Qualität der Verhütungsberatung in 28 Berliner Arztpraxen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe untersucht. Die ZDF-Reportage mit dem Titel „Verharmloste Verhütung – Gefährliche Beratung beim Frauenarzt“ stellt die Untersuchung und ihre Ergebnisse in der heutigen Sendung von Frontal21 um 21 Uhr vor.
„Es ist erschreckend, wie wenig Informationen Gynäkologen von ihren Patientinnen einholen und wie schlecht sie diese aufklären“, meint Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Gerade bei Behandlungen, die nicht aus Krankheitsgründen medizinisch indiziert sind, müsste die Aufklärung laut Rechtsprechung eigentlich besonders sorgfältig erfolgen. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein.“ Dabei könne eine unzureichende oder falsche Beratung in letzter Konsequenz sogar zu einem Behandlungsfehler und ernsthaften Gesundheitsschäden führen.
So steige durch Anti-Baby-Pillen der neuesten Generation das Thromboserisiko und damit die Gefahr einer lebensgefährlichen Gefäßverstopfung. Dennoch äußerten sich viele Mediziner gegenüber zwei Test-Patientinnen wie folgt oder ähnlich: „Ihre Tante hatte eine Thrombose? Nicht so schlimm. Nur wenn Vater oder Mutter betroffen wären, müssten Sie vielleicht mit der Pille vorsichtig sein.“
Auch Nachfragen zu Migränekopfschmerzen, die ebenfalls gegen die Einnahme der Pille sprechen, blieben in den meisten Arztpraxen aus. Lediglich sechs der besuchten Gynäkologen wollten von ihren Patientinnen mehr dazu wissen. „Die Ärzte hätten im Gespräch darauf hinweisen müssen, dass Migräne und vor allem solche mit Wahrnehmungsstörungen die Empfängnisverhütung mit der Anti-Baby-Pille gefährlicher macht“, meint Kranich.
Unzureichend war darüber hinaus die Information und Aufklärung zu harmloseren Verhütungsmethoden wie Spirale oder Kondom. Präservative mögen zwar für viele unbequem sein, haben aber den Vorteil, dass sie auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen. Nur zwei Drittel der Ärzte kam jedoch auf solche Alternativen von sich aus zu sprechen. Mehr als ein Drittel der Mediziner händigte dagegen Informationsmaterial der Pharmaindustrie aus.
Bislang mangele es in Deutschland an einer Leitlinie der gynäkologischen Fachgesellschaften, die Ärzten aufzeige, welche Fragen sie bei einer Verhütungsberatung zu stellen und welche Informationen sie weiterzugeben hätten. „Angesichts unserer Untersuchungsergebnisse bleibt zu hoffen, dass die für Ende dieses Jahres angekündigte Handlungsempfehlung tatsächlich ihren Zweck erfüllt“, so Patientenschützer Kranich.