Vater vor Gericht

Misshandlung: HIV-Baby beim Wunderheiler dpa, 22.11.2016 14:34 Uhr

Zwei Jahre Haft auf Bewährung: Statt zum Arzt zu gehen, war ein Vater mit seinem HIV-infizierten Sohn bei einem Wunderheiler. Foto: Wikipedia/ Wiegels CC BY-SA 3.0
Düsseldorf - 

Der Kleine könnte ein gesunder, glücklicher Junge sein. Stattdessen ist der Sechsjährige schwerstbehindert – ein Pflegefall. Er kann nicht sprechen, nicht essen und sitzt in einem Spezial-Rollstuhl. Seine Eltern hatten zunächst die HIV-Infektion der Mutter verschwiegen, dann HIV-Tests beim Kind verweigert und schließlich eine Therapie nach Ausbruch von Aids trotz Warnungen der Ärzte mehrfach abgebrochen. Stattdessen hatten sie das Kind aus einer Klinik entführt und zu einem Wunderheiler gebracht. Heute verurteilte das Düsseldorfer Amtsgericht den Vater des Jungen dafür zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Weil der Alleinerziehende sich noch um zwei weitere Kinder kümmern muss, beließ es das Gericht trotz „schwerster Bedenken“ der Staatsanwältin bei der Bewährungsstrafe. Die 37-jährige Mutter ist flüchtig und wird nun mit Haftbefehl gesucht.

Der 50-Jährige hatte die Vorwürfe nach stundenlanger Beweisaufnahme kleinlaut eingeräumt. Er habe der Diagnose misstraut und der Therapie in der Uni-Klinik auch, berichtete er. Den Hirnschaden des Kindes habe er auf einen Narkosefehler der Ärzte zurückgeführt.

Stattdessen trat ein Wunderheiler auf den Plan, der behauptete, das „Aids-Virus“ mit Kobra-Gegengift in 24 Stunden zerstören zu können. „Wie kann man dem nur glauben, wenn man sich auch nur zehn Sekunden seine Webseite angeschaut hat?“, fragt Staatsanwältin Laura de Bruyn. „Diese Mischung aus Ignoranz und den fatalen Folgen für das Kind ist erschreckend.“ Die Ehefrau habe den Heiler wohl „als letzten Strohhalm“ betrachtet, nach dem sie in ihrer Verzweiflung gegriffen habe, versucht Verteidiger Markus Wittke zu erklären.

Das Verfahren gegen den Heiler ist inzwischen eingestellt, weil dieser gerichtlich für verrückt und damit schuldunfähig erklärt wurde. Dass die Eltern des Jungen aus Westafrika stammen und dort nach wie vor wirre Ansichten über Aids kursieren, war für die Staatsanwältin kein Entschuldigungsgrund, schließlich sei der Vater bereits seit 1993 in Deutschland.

Die Ärzte hätten ihn zudem mehrfach aufgeklärt und eindringlich gewarnt, die Therapie abzubrechen. Dennoch habe er seinen Sohn in Todesgefahr gebracht. „Er hat auf irgendwelchen Hokuspokus vertraut und das Kind sehenden Auges in die Behinderung laufen lassen.“

Dass Kobra-Gegengift keine wirksame HIV-Therapie ist, davon scheint der Vater nach wie vor nicht überzeugt: „Können Sie das beweisen?“, fragt er die Staatsanwältin.

Wenn man von der HIV-Infektion der Mutter gewusst hätte, wäre das Kind mit mehr als 99 Prozent Wahrscheinlichkeit ohne HIV-Infektion zur Welt gekommen, sagt ein Kinderarzt der Düsseldorfer Uni-Klinik als Zeuge. Er habe seinen Sohn mit seinem Verhalten vorsätzlich gequält, befindet Richterin Susanne Goergens schließlich und verurteilt den Vater. „Sie haben ihn in Todesgefahr gebracht.“