Krebsrisiko durch NDMA-Verunreinigung

Valsartan: Kein Schmerzensgeld für Sorgen

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Berlin -

Der Valsartan-Skandal beschäft nach wie vor die Gerichte. Denn bei Patientinnen und Patienten war die Angst vor den gesundheitlichen Folgen der NDMA-Verunreinigung groß. Doch alleine die Sorgen rechtfertigen laut Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) kein Schmerzensgeld. Ähnlich hatte vor zwei Jahren schon das OLG Stuttgart entschieden.

Die Patientin hatte jahrelang den Blutdrucksenker Valsartan eingenommen und nach Bekanntwerden der NDMA-Verunreinigung und Rückruf vom Hersteller ein Schmerzensgeld von mindestens 21.500 Euro gefordert. Sie behauptet, seit Kenntnis des Rückrufs unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken, zu leiden. Bereits das Wort „krebserregend“ beunruhige sie. Tagsüber denke sie oft an die ungewisse gesundheitliche Zukunft; nachts plagten sie Albträume.

NDMA wurde zwar von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Nach dem Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist aber das theoretisch erhöhte Lebenszeit-Krebsrisiko bei täglicher Einnahme der Höchstdosis über ein Zeitraum von sechs Jahren lediglich um 0,02 Prozent erhöht. Das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, wird für Deutschland mit 43,5 Prozent angegeben.

Schon das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg: Die Klägerin habe bereits keine „erhebliche“ Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen: Die Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.

Arzneimittel ist nicht die Ursache

Die Herstellerhaftung scheide auch aus, da die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht „infolge“ der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. „Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, können [...] der Beklagten nicht zugerechnet werden“, so das OLG.

Auslöser der psychischen Folgen sei vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, wonach die Frau mit einem geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung rechnen müsse. Diese anzunehmende Risikoerhöhung verbleibe aber in einem Rahmen, „der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen“, begründet das OLG weiter, „die [...] nur ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos durch die Verunreinigung des Arzneimittels gegenüber dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken, ist nicht per se als Schaden zu werden, ebenso wie eine Verunreinigung des Arzneimittels an sich, die auch folgenlos bleiben kann [...]“.

Die individuelle Risikoeinschätzung sei nicht objektiv nachvollziehbar. Darüber hinaus lägen auch andere schadensverursachende Umstände vor. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ihre Ängste, an Krebs zu erkranken, dadurch verursacht würden, dass ihre Mutter, ihr Bruder und die Cousine an Krebs verstorben seien.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, mit Nichtzulassungsbeschwerde kann die Frau die Zulassung der Revision begehren.

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