Abmahnungen

„Besonders verwerfliche Gesinnung“ Katharina Lübke, 09.12.2014 15:21 Uhr

Berlin - 

Die Apotheker erleben derzeit eine außergewöhnliche Abmahnwelle: Tausendfach wurden vermeintliche Fehler im Impressum oder Verstöße gegen das Versandverbot beanstandet. Während die Initiatoren zum geordneten Rückzug blasen, holen die Abgemahnten mit Beschwerden und Anzeigen zum Gegenschlag aus. Wie schnell sich das Blatt wenden kann, zeigt ein vergleichbarer Fall, in dem ein „Abmahnanwalt“ und sein Mandant die kompletten Abmahn- und Gerichtskosten tragen müssen.

Thomas Urmann von der Kanzlei Urmann + Collegen hatte im August 2012 im Auftrag der KVR Handelsgesellschaft innerhalb von zwei Wochen vermutlich mehr als 1000 Abmahnungen an Online-Shops verschickt. Medienberichten zufolge beliefen sich alleine die dafür in Rechnung gestellten Anwaltsgebühren auf rund 700.000 Euro. Den Abgemahnten wurden fehlende Impressumsangaben und Fehler in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorgeworfen.

Eine der abgemahnten Anbieter ging juristisch gegen den Anwalt vor und bekam im Juli 2013 vor dem Regensburger Amtsgericht Recht. Die Klägerin argumentierte, dass die Handelsgesellschaft nur aktiviert worden sei, um ein Wettbewerbsverhältnis vorzutäuschen. Durch die Massenabmahnungen hätten vor allem Anwaltshonorare beziehungsweise spätere Vertragsstrafen erzielt werden sollen. Eine solche Gesinnung sei „besonders verwerflich“.

Im Urteil hieß es: „Werden durch eine Gesellschaft binnen weniger Wochen mehr als 1000 wettbewerbsrechtliche Abmahnungen mit einem Gesamtgebührenvolumen von über 600.000 Euro versandt, besteht andererseits aber nur ein minimaler geschäftlicher Betrieb der Gesellschaft, ist davon auszugehen, dass der Betrieb der Gesellschaft lediglich eingerichtet wurde, um Wettbewerbsverhältnisse zu generieren und sich in sittenwidriger Weise auf Kosten der Wettbewerber zu bereichern.“

Die Massenabmahnungen seien damit rechtsmissbräuchlich. Das Gericht entschied deshalb, dass Urmann und seine Mandantin die gesamten Anwalts- und Gerichtskosten tragen müssen. Jetzt scheiterte Urmann auch in der nächsten Instanz: Das Landgericht Regensburg wies die Berufung zurück, Revision wurde nicht zugelassen.

Dagegen können Urmann und seine Mandantin innerhalb eines Monats Beschwerde einreichen. Wird das Urteil rechtskräftig, drohen ihnen Regressforderungen und Zivilklagen von anderen Betroffenen. Medienberichten zufolge galt das Verfahren als eine Art Musterprozess.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte Urmann seine Zulassung als Anwalt entzogen werden. Der Jurist war vor einem Jahr zu Bekanntheit gelangt, als er im Auftrag der schweizerischen Firma The Archive AG zahlreiche Nutzer der Pornoplattform Redtube wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung zur Kasse gebeten hatte.

Mittlerweile scheint der Anwalt abgetaucht zu sein. Die Rechtsanwaltsfirma existiert nicht mehr. Medienberichten zufolge wurde er im August dieses Jahres vor dem Augsburger Amtsgericht wegen Insolvenzverschleppung und Sozialkassenbetrugs zu einer hohen Geldstrafe und Sozialstunden verurteilt. Er soll die Pleite einer Wurstfabrik bewusst verschleiert haben.