Als Kassenpatient wartet man ewig auf Arzttermine, Privatversicherte kommen oft schneller zum Zuge. Ein Augenarzt aus Solingen wollte daraus ein Geschäft machen und bot über das Buchungsportal Jameda Selbstzahlertermine auch für gesetzlich Versicherte an. Das wurde ihm jetzt vom Landgericht Düsseldorf (LG) untersagt.
Der Termin sollte 150 Euro kosten, obwohl er innerhalb der Sprechstundenzeit für gesetzlich Versicherte stattfinden sollte und es sich um eine Kassenleistung handelte, nicht um eine selbst zu zahlende individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Ein Patient informierte die Verbraucherzentrale NRW, das Landgericht Düsseldorf teilte die Rechtsauffassung der Verbraucherschützer: In den Sprechzeiten für Kassenpatient:innen darf der Augenarzt gesetzlich Versicherte nicht gegen einen Aufpreis eher behandeln.
Gesetzlich Versicherte erhalten – anders als Privatversicherte – von den Krankenkassen keine Erstattung der vorgestreckten Behandlungskosten. Sie bekommen die benötigten Leistungen als Sachleistung bei den Ärzt:innen, die mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) entsprechende Verträge geschlossen haben.
Im Projekt „IGeL-Ärger“ der Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz gingen aber häufiger Beschwerden ein, dass Kassenpatient:innen Selbstzahlertermine mit deutlich kürzerer Wartezeit angeboten werden. Gängig sei dies auf Terminbuchungsportalen wie Doctolib oder Jameda. Auf den Buchungsplattformen können Ärzt:innen anhand diverser Kriterien wie beispielsweise des Versicherungsstatus entscheiden, welche Art von Patient:in einen Termin bekommt.
Die Verbraucherzentrale NRW hatte den Augenarzt aus Solingen abgemahnt, da er im Jahr 2022 über Jameda schnellere Termine an gesetzlich Versicherte vermittelt hatte, obwohl die Behandlung in der Sprechstundenzeit für Kassenpatient:innen stattfinden sollte. Zum Termin für eine augenärztliche Untersuchung sollte der Patient 150 Euro mitbringen – oder eben mehrere Monate warten.
Da der Arzt keine Unterlassungserklärung unterzeichnete, landete der Fall vor Gericht. Das rechtskräftige Urteil vom 26. Juni ist eindeutig: Der Augenarzt hat es zu unterlassen, in seiner Augenarztpraxis künftig solche Termine anzubieten. Das Gericht untersagte dem Arzt außerdem, gesetzlich Versicherten über das Buchungsportal Selbstzahlertermine für Notfälle anzubieten.
Grundsätzlich gilt: Vertragsärzt:innen müssen mindestens 25 Stunden wöchentlich für Sprechstunden zur Verfügung stehen. Davon müssen fünf Wochenstunden für Patient:innen mit akuten und dringlichen Erkrankungen frei gehalten werden, also für Notfälle. Für diese offene Sprechstunde benötigt man keinen Termin. Die KVen sind verpflichtet, die gemeldeten Sprechstunden zu veröffentlichen.
Dennoch ist es für Patient:innen nicht transparent, wie viele Sprechstundentermine eine Arztpraxis noch vergeben kann beziehungsweise muss. „Gesetzlich Versicherte werden benachteiligt, wenn sie für einen schnellen Arzttermin extra bezahlen sollen und nur dann ebenso schnell wie Privatversicherte einen Termin erhalten“, kritisiert Gesundheitsrechtsexpertin Susanne Punsmann von der Verbraucherzentrale NRW. „Mit diesem Urteil wird klargestellt, dass gesetzlich Versicherte in den Sprechstunden Kassenleistungen erhalten, ohne nochmals in die eigene Tasche greifen zu müssen. Denn sie haben schon ihre Krankenversicherungsbeiträge gezahlt.“
Die Verbraucherzentrale rät Kassenpatient:innen davon ab, Behandlungen als Selbstzahler:innen in Anspruch zu nehmen. Sie sollten alle anderen Wege ausschöpfen, wenn sie dringend einen Termin brauchen. „Lassen Sie sich vom Hausarzt oder der Hausärztin weitervermitteln oder nutzen Sie die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen über die Telefonnummer 116 117 oder die gleichnamige App“, rät Punsmann. „In Notfällen kann man die offenen Sprechstunden aufsuchen.“
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