Für Klaus und Elisabeth Myschik geht eine lange Tradition zu Ende: Nach 45 Jahren haben die beiden die Türen ihrer Engel Apotheke in Steinheim für immer geschlossen. Die Apotheke kann auf 209 Jahre Geschichte zurückblicken – entsprechend emotional war der Abschied in den letzten Tagen.
Bereits seit 1811 befindet sich die Engel Apotheke im nordrheinwestfälischen Steinheim. Im Juli 1975 pachtet Klaus Myschik die Apotheke gemeinsam mit seiner Frau. 1980 wurde die Apotheke schließlich vom Ehepaar gekauft. „Wir haben diesen Schritt nie bereut“, erklärt Klaus Myschik. Doch nun bleiben die Türen geschlossen. Denn die Apotheke ist nicht barrierefrei, der Zugang kann nur über eine Treppe erfolgen. Die gesetzlichen Vorgaben bei einem Wechsel stellen eine zu große Hürde dar. Daher ließ sich kein Nachfolger finden.
In Steinheim gab es bisher fünf Apotheken – seit diesem Monat eine weniger. Rund 12.000 Einwohner gilt es mit dem gesamten Einzugsgebiet zu versorgen. „Bisher gibt es hier noch keinen Apothekenmangel“, meint Elisabeth Myschik. Alle Mitarbeiter der Apotheke sind daher bereits gut untergebracht. Vor allem für die PTA wäre es kein Problem gewesen, berichtet sie. Als die Schließung im Umkreis bekannt wurde, hätten die umliegenden Apotheken direkt ihr Interesse an den Mitarbeitern angekündigt.
In 45 Jahren Apotheken-Alltag hat sich so einiges verändert: „Das Apothekerbild hat sich schon sehr gewandelt“, findet Elisabeth Myschik. Früher habe man noch sehr viel mehr handwerklich gearbeitet. „Wir haben zum Beispiel Johanniskrautöl oder Baldriantinktur noch selbst hergestellt“, berichtet sie. Außerdem wurden für einen benachbarten Arzt noch verschiedene Pillen gerollt, sowie Injektionsflaschen und Augentropfen unter „damals sterilen Bedingungen“ angefertigt.
Auch die Bestellung lief anders ab als heute: Statt automatisiertem Bestellverfahren wurden früher von den Mitarbeitern noch Anschreibeblöcke genutzt. „Das war alles noch sehr aufwendig.“ Irgendwann hielt schließlich die Technik Einzug: „Mein Mann war schon immer technikorientiert. Deshalb waren wir eine der ersten Apotheken, die den Computer eingeführt haben.“ Mittlerweile entwickle sich die Apotheke immer mehr zur Beratung hin, findet sie. Auch wenn der Apothekenalltag mit vielen neuen gesetzlichen Regelungen über die Jahre nicht einfacher geworden sei, habe man immer versucht das Bewusstsein für die Gesundheit zu stärken. „Dass Corona uns im letzten Jahr noch begleitet, war natürlich nicht geplant – wir hatten nicht damit gerechnet, dass sowas noch kommt“, meint Elisabeth Myschik. Dennoch habe man die Situation gemeinsam mit dem Team gut gemeistert – wie alles in den vergangenen 45 Jahren.
Direkt neben der Apotheke befindet sich ein Reformhaus. Elisabeth Myschik absolvierte extra die Ausbildung zur Reformhausfachberaterin, um es anschließend zu leiten. Nach der Schließung der Apotheke hätte das Reformhaus zwar separat weitergeführt werden können, dafür sei der Ort jedoch zu klein. „Das hat nur zusammen mit der Apotheke funktioniert, weil man voneinander profitiert hat“, erklärt Elisabeth Myschik. „Im Reformhaus bieten sich nochmal andere Einstiegsmöglichkeiten, als in der Apotheke. Es lässt häufig noch eher eine intensive Beratung zu.“ Viele der im Reformhaus präsenten Themen – wie beispielsweise Darmgesundheit oder die Ernährungsberatung in Bezug auf verschiedenste Erkrankungen – seien früher noch belächelt worden. Mittlerweile sei die Medizin da ein „ganzes Stück weiter“. In Steinheim spielten solche Bereiche jedoch schon immer eine große Rolle in der Beratung.
Das Vertrauen der Kunden sei mit den Jahrzehnten zunehmend gewachsen – viele kenne man von Kindesbeinen an. „45 Jahre – das sind anderthalb Generationen“, meint Elisabeth Myschik. Entsprechend emotional sei auch der Abschied gewesen: Hier und da seien bei den Stammkunden vereinzelt auch Tränen geflossen. Die jahrelange Arbeit habe sich schließlich jedoch ausgezahlt. Viele Kunden brachten Blumen, Pralinen und andere Aufmerksamkeiten. „Das gibt Bestätigung, dass man in den Jahren einiges richtig gemacht hat“, erklärt Myschik.
Auch wenn die beiden ihren treuen Kunden nicht mehr in der Apotheke zur Verfügung stehen, so bleiben sie den Steinheimern doch erhalten: „Wir bleiben über der Apotheke wohnen und sind hier sesshaft geworden. Unsere Kinder sind hier geboren und zur Schule gegangen – das verbindet doch sehr. Uns hat die Arbeit in der Apotheke immer sehr viel Freude gemacht.“ Obwohl der Abschied schwerfiel, weiß das Ehepaar bereits was es mit der neu gewonnenen Freizeit machen will: „Wir wollen unsere Hobbies mehr pflegen“, meint Elisabeth Myschik. Außerdem soll die Zeit den Enkelkindern gewidmet werden. Aber auch das Thema Reisen steht ganz oben auf dem Plan – vor allem Deutschland und Europa. „Da haben wir noch einiges nachzuholen“, lacht sie.
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