Anwendungsbeobachtungen

Unikliniken kassieren bei Studien APOTHEKE ADHOC, 22.03.2016 19:10 Uhr

Berlin - 

Anwendungsbeobachtungen (AWB) standen zuletzt im Fokus der Öffentlichkeit. NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten in Kooperation mit dem ARD-Magazin Panorama und dem Recherchezentrum Correctiv Daten zu rund 1300 AWB aus den Jahren 2009 bis 2014 ausgewertet, die an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemeldet wurden. Jetzt legen die Reporter nach: Nicht nur für niedergelassene Ärzte sind AWB ein Zubrot, sondern auch für Unikliniken.

Zwischen 2009 und 2014 nahm beispielsweise das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg an etwa 90 Studien – etwa für Avastin (Roche) und Eylea (Novartis) – teil. In Greifswald liefen zwischen 2013 und 2015 etwa 20 AWB, durch die Einnahmen von 65.000 Euro erzielt wurden. Das Universitätsklinikum in Rostock bestätigte die Teilnahme an solchen Untersuchungen. Andere Kliniken gaben aufgrund des Datenschutzes oder des zu hohen Aufwands erst gar keine konkreten Angaben zur ihrer Beteiligung an AWB an.

Insgesamt liefen 2014 laut Panorama mehr als 500 Erhebungen, einige bereits seit mehreren Jahren und teilweise mit Laufzeiten bis über 2020 hinaus. Rund 17.000 Mediziner hatten sich an den Studien beteiligt. Ob die einzelnen AWB sinnvoll und die Vergütungen tatsächlich angemessen seien, kontrolliere jedoch niemand.

Correctiv hatte eine Liste mit den Top-50-Präparaten ins Netz gestellt. Unter den ersten zehn Produkten sind sieben Röntgenmittel, die an bis zu 150.000 Patienten geprüft wurden. Mit unter den Top-10 sind außerdem Lucentis, Seebri und Valdoxan. Spitzenreiter nach Vergütung ist Humira mit 4609 Euro je Fall. Insgesamt wurden 20 AWB mit 10.000 Patienten gemeldet.

Kritiker beurteilen den Reportern zufolge einen Großteil der Erhebungen als eine Art legale Bestechung. Es bestehe demnach die Gefahr, dass Mediziner wegen des finanziellen Anreizes teurere oder gar schlechtere Mittel verschrieben und dadurch das Budget der Krankenkassen belasteten oder die Gesundheit der Patienten gefährdeten, sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdKÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig.

Das Universitätsklinikum Dresden sticht als Gegenbeispiel heraus: In dessen Anti-Korruptionsrichtlinie heißt es, dass AWB grundsätzlich nicht erwünscht seien. Das Klinikum bezweifelt den wissenschaftlichen Wert dieser Studien und vermutet, dass die Pharmaindustrie „überwiegend marketingbezogene Ziele“ verfolge.

Über das Thema „Unikliniken kassieren für umstrittene Studien“ berichtet heute Abend um 21.15 Uhr die Sendung Panorama 3 beim NDR.