APOTHEKE ADHOC Umfrage

Grippe trifft Apotheken APOTHEKE ADHOC/dpa, 07.03.2015 10:00 Uhr

Berlin - 

Die laufende Grippesaison ist in Deutschland auf dem Höhepunkt angekommen – und hat es in sich. Fast 40.000 Menschen sind bisher nachweislich an Influenza erkrankt, im ganzen Land wird gefiebert, geschnupft und gehustet. Auch die Apotheken bleiben von Grippe und Erkältung nicht verschont. Mehr als jeder Vierte muss sogar auf mehrere Mitarbeiter verzichten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC.

Demnach sind fast zwei Drittel der Apotheken von der Grippewelle betroffen: 21 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass es zwar noch gehe, sich aber bereits viele Mitarbeiter krank gemeldet hätten. Bei 6 Prozent liegt die ganze Mannschaft flach. Bei 36 Prozent sind nur Einzelne wegen der Grippe ausgefallen. 35 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass – toi, toi, toi – bislang alle Mitarbeiter gesund geblieben seien. An der Umfrage nahmen am 5. Und 6. März 2015 insgesamt 199 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.

Noch läuft die Grippewelle auf Hochtouren und mehr als doppelt so viele Patienten wie sonst im Winter gehen wegen Atemwegserkrankungen zum Arzt. Darunter sind besonders viele Erwachsene zwischen 39 und 59 Jahren. „Zu rund 60 Prozent ist es dann auch die Grippe“, sagt Silke Buda, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Berliner Robert Koch-Institut (RKI). „Die aktuelle Influenza-Saison gehört sicher zu einer der schwereren Wellen der vergangenen Jahre.“ Allein in der neunten Kalenderwoche kamen 12.000 bestätigte neue Fälle hinzu. Dass die Zahl der Arztbesuche Ende Februar nicht noch weiter gestiegen ist, könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass sich die Lage in den kommenden Wochen bessert.

Dass Grippe-Zahlen von Jahr zu Jahr schwanken, ist normal. Von den hohen Erkrankungszahlen her ist die aktuelle Welle mit der Saison 2012/13 vergleichbar. Von der Dominanz einer der drei Grippeviren – Typ A H3N2 – ähnelt sie aber eher dem Winter 2008/2009. Das sind beides keine guten Nachrichten: Vor sieben Jahren gab es geschätzte 18.000 Grippetote in Deutschland, vor zwei Jahren waren es geschätzte 20.000. Es sei noch zu früh zu sagen, ob es nun erneut zu einer deutlich höheren Sterblichkeit durch die Grippe kam, betont Buda. Die Schätzungen auf Basis der Zahlen des Statistischen Bundesamts seien erst mit mehr als einem Jahr Abstand möglich.

Durchschnittlich gibt es geschätzte 8000 bis 11 000 Grippetote pro Jahr. Allein das sind mehr als doppelt so viele Menschen wie jedes Jahr in Deutschland bei Verkehrsunfällen sterben. „Es gibt aber keine Durchschnittsgrippewelle, so dass auch die Zahl der Grippetoten von Jahr zu Jahr schwankt“, betont Buda. Jede Saison habe ihre eigenen Charakteristika.

In der aktuellen Welle zirkuliert bisher zu 80 Prozent der Subtyp A H3N2. Mit diesem Typ haben Experten unangenehme Erfahrung: Er scheint regelmäßig schwerere Grippewellen auszulösen. A-Viren haben darüber hinaus eine größere Neigung, sich zu verändern, berichtet Buda. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschah das in den vergangenen 25 Jahren viermal. Ganz anders das gefürchtete Schweinegrippe-Virus vom Subtyp A H1N1: Es blieb seit 2009 stabil, obwohl gerade hier Mutationen befürchtet wurden.

Seit der WHO-Impfempfehlung für die Nordhalbkugel von Ende Februar 2014 hat sich das H3N2-Virus auch in Deutschland verändert, berichtet Buda. „Das bleibt hoffentlich ein Ausreißer“, ergänzt die Expertin. Denn jede Veränderung bedeutet, dass das im Vakzin enthaltene Eiweiß nicht mehr mit dem Oberflächeneiweiß des Erregers übereinstimmt.

Das hat zwei gravierende Folgen: „Bei Menschen, die in früheren Jahren mal eine Grippe mit H3N2 hatten, gibt es für das Immunsystem dann keinen Wiedererkennungseffekt“, erläutert Buda. Dadurch werden mehr Menschen nach einer Infektion krank. Auch die Grippeimpfung kann bei einem veränderten Virus nicht den erwarteten Schutz erzielen. Denn die Komponente gegen A H3N2 wirkt schlechter oder gar nicht.

Gefährlich ist ein nur schwach wirkendes Vakzin vor allem für geimpfte alte Menschen mit Vorerkrankungen. „Je schwächer das Immunsystem ist, desto schwerer kann es auf ein neues Influenza-Virus angemessen reagieren“, erläutert Buda.

Damit wachse die Gefahr von Komplikationen. Wenn dann zur Grippe-Vireninfektion noch eine Bakterieninfektion wie zum Beispiel eine Lungenentzündung kommt, kann es für betagte Patienten eng werden. Viel seltener rafft die Grippe junge, gesunde Menschen hinweg – ausgeschlossen ist auch das aber nicht.

„Trotz aller Bemühungen bleibt es schwer, die genauen Influenza-Subtypen, gegen die der Impfstoff wirken muss, so weit im Voraus schon zu bestimmen“, sagt Professor Dr. Carlos Guzman, Experte am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Ein universeller Impfstoff, der auch gegen Varianten der Subtypen wirken könnte, befinde sich erst im Stadium der Grundlagenforschung, ergänzt Buda. „Für die nächsten Jahre ist das nicht absehbar.“

Es sei trotzdem auf jeden Fall sinnvoll, sich auch in diesem Herbst wieder impfen zu lassen, betonen beide Experten. Denn es gebe keine Alternative zum Impfschutz – auch wenn die Wirkung leider nicht immer garantiert werden könne. Nur wenn sich die Viren nach der WHO-Empfehlung und der massenhaften Produktion von Impfstoff nicht verändern, kann die Impfung gut schützen.

In Deutschland liegt die Impfquote mit rund 30 Prozent bei Grippe ohnehin sehr niedrig. Für ältere Menschen empfiehlt die WHO zum Beispiel eine Grippe-Impfquote von 75 Prozent. Allein die Impfmüdigkeit der Deutschen gegen das Virus macht es Grippewellen hier also leichter – und zwar jedes Jahr. Und je mehr Menschen krank werden, desto größer sei auch die Gefahr von schweren Verläufen, sagt Buda. Und damit von Todesfällen.