Ulm

Vom HV-Tisch in die Schreibstube

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Berlin -

Die Schreibkarriere von Apothekerin Irene-Franziska Mauerer endete im Alter von fünf Jahren. Damals begann sie, wie von den Schwestern gelernt, auf einem großen Blatt Papier zu schreiben. Aber: „Muttis Lachen entmutigte mich – und so hörte ich nach einigen Zeilen wieder auf“, berichtet Maurer. Nun hat sie einen neuen Anlauf genommen und ein Buch über die Geschichte der Ulmer Apotheken geschrieben – anhand ihrer eigenen Apotheke.

Bis 2005 arbeitete Maurer in der Löwen-Apotheke ihres Mannes in Ulm, dem ältesten Einzelhandelsgeschäft der Stadt. Damals übergab sie die Apotheke an ihren Neffen. Zur Feier des Tages, es war der 11. September, der Tag des offenen Denkmals, hatte sie eine kleine Ausstellung hinter den Apothekenkulissen organisiert: Sie zeigte alte Gerätschaften, Bücher und Herbarien und berichtet über die Apothekengeschichte. Rund 200 Menschen kamen vorbei.

Das war für Maurer der nötige Motivationsschub, um mit dem Schreiben ihres Buches zu beginnen. „Außerdem kam ich jetzt so in das Alter, in dem man gern zurückblickt auf sein Lebenswerk, die Weiterführung der Apotheke und deren Modernisierung“, erzählt sie. Zwei Jahre lang erforschte Maurer die Apothekengeschichte Ulms. Eine große Hilfe war ihr das Manuskript eines Ulmer Journalisten, der 1936 auf 58 Schreibmaschinenseiten die Geschichte der Löwen-Apotheke und der Homöopathischen Centralapotheke verfasst hatte.

Das Buch beschreibt die Wurzeln der Pharmazie in der Antike und im arabischen Raum. Der Schwerpunkt liegt aber auf der lokalen Medizin- und Apothekengeschichte. Die Historie der Löwen-Apotheke dient dabei als roter Faden. Das Buch wurde von der Süddeutschen Verlagsgesellschaft im Jan Thorbecke Verlag herausgebracht.

Die Geschichte der Apotheke in der Langen Gaß, der späteren Löwen-Apotheke, lässt sich seit 1453 nachverfolgen. Auch vorher gab es schon eine Apotheke in Ulm, wo sie ansässig war, ist allerdings unbekannt. Die Apotheker wurden damals durch einen Eid verpflichtet, schreibt Maurer. Sie standen im Dienst der Stadt, waren geschäftlich eigenständig und wurden von den Stadtärzten examiniert und kontrolliert.

Nach und nach entstanden weitere Apotheken in Ulm: im 16. Jahrhundert die Mohren-Apotheke und im 17. Jahrhundert die Apotheke zur Krone. Deren Inhaber verdiente allerdings mit seiner Zementproduktion so viel, dass er die Apotheke Ende des 19. Jahrhunderts schloss – wegen Reichtums. Die Inneneinrichtung schenkte er dem Ulmer Museum, das sie an das Heidelberger Apothekenmuseum weitergab. Dort kann sie noch heute besichtigt werden.

1883, vierzig Jahre nach dem Tod von Samuel Hahnemann, beantragte der damalige Hofrat Carl Wacker, der in der Löwen-Apotheke arbeitete, die Zulassung einer Homöopathischen Centralapotheke. Diese wurde drei Jahre später bewilligt. Die Gründung dieser Apotheke war mit großem Aufwand verbunden, schließlich mussten neue Räume her und Vorpotenzen vorrätig gehalten werden.

Wacke starb im Jahr 1907. Vorher hatte er seine Untersuchungsanstalt zur Prüfung von Lebensmitteln der Stadt Ulm übergeben. Denn seit dem 19. Jahrhundert war die Löwen-Apotheke für Prüfungen zuständig und hatte unter anderem das Wasser für das Bier im Münchener Hofbräuhaus getestet.

Seit 1910 ist die Löwen-Apotheke im Besitz der Familie Maurer. Otto Maurer besaß vorher eine andere Apotheke in Ulm und kaufte die Löwen-Apotheke, weil hier das Gymnasium für seinen Sohn Wilhelm war. Der studierte in Würzburg und München Pharmazie und übernahm die Apotheke 1935.

Während des Krieges war Dr. Wilhelm Maurer Apotheker im Ulmer Lazarett. 1943 zog er mit seiner Familie in ein kleineres Haus im Umland von Ulm. Hier lagerte er Arzneimittel für den Fall, dass die Stadt bombardiert würde. Das geschah am 17. Dezember 1944. Das Apothekenhaus brannte damals bis auf die Grundmauern nieder.

Vier Jahre nach Kriegsende war der Wiederaufbau beendet. Das Material musste mühselig gesammelt werden: „Mein Mann musste als Kind Steine von einer Ruine aus Söflingen sauber klopfen, die Vater Maurer aufgekauft hatte“, erzählt die Autorin. Dr. Wilhelm Maurer kaufte 1950 die pharmazeutische Firma Seck und stellte zahlreiche Präparate her, die in dem Apothekenhaus produziert und im In- und Ausland vertrieben wurden.

Dr. Wilhelm Maurer starb 1963 im Alter von 59 Jahren an einem Herzinfarkt. Sieben Jahre lang verwaltete Siegfried Bayer die Apotheke, bis Dr. Gerhard Maurer sie im Juni 1971 übernahm. Einen Monat vorher hatte Irene Maurer ihr Staatsexamen in München abgelegt, ihr Mann hatte seine Promotion abgeschlossen und die beiden hatten geheiratet. Nach 34 Jahren ging die Apotheke vor an den Neffen Andreas Maurer.

Pünktlich zum Start des Buches gibt es im Museum in der Klostermühle in Söflingen vom 13. September bis zum 1. November die Ausstellung „Von der Quacksalberei zur Wissenschaft“. Dort präsentiert Maurer alte Utensilien wie eine Tablettenmaschine, Pillenbretter, handgeblasene Fiolen und alte Waagen, die sie aus dem Keller des alten Hauses geholt hat.

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