Zyto-Deal vor laufender Kamera APOTHEKE ADHOC, 18.02.2016 17:16 Uhr
„Die Krebs-Mafia“ – Unter diesem Titel berichtet der Stern in seiner aktuellen Ausgabe über den Versuch zweier Apotheker und eines Pharmahändlers, einen Onkologen in Hamburg zu bestechen. Die Gespräche wurden mit versteckter Kamera gefilmt, der Beitrag wurde im ARD-Magazin „Panorama“ ausgestrahlt.
Dr. Ulrich Fritz hatte genug von den dubiosen Machenschaften bei der Versorgung von Arztpraxen mit Krebsmedikamenten. Er hat sich auf das Angebot zweier Apotheker aus Norddeutschland und eines Pharmahändlers zum Schein eingelassen – und die Gespräche mit versteckter Kamera aufgezeichnet. „Ich wollte die Wirklichkeit der ambulanten Onkologie einmal darstellen“, erklärt der Facharzt im Stern.
Ende vergangenen Jahres gab es mehrere Termine in der Facharztpraxis. Anfang Dezember bot der Pharmahändler, der sich laut Stern selbst als „der Immunglobulin-König“ bezeichnet, dem Mediziner die treuhänderische Beteiligung an einer Firma in Österreich an. „Dort gibt es die Möglichkeit, sie finanziell an Bord zu nehmen und von den Verschreibungen zu profitieren.“
Das Geld für Fritz solle auf ein anonymes Nummernkonto einer Treuhandgesellschaft fließen. Sein Name würde dort nicht auftauchen. „Das machen die schon lange, sehr anonym. Sehr anonym“, so der Pharmahändler, der vor einigen Jahren in den Import von Krebsmittel aus Ägypten verwickelt war. Mit versteckter Kamera wurde er bereits früher einmal gefilmt.
Beim zweiten Treffen bringt der Pharmahändler die Apotheker mit. Nachdem sie sich über das geplante Anti-Korruptionsgesetz ausgelassen haben, bieten sie Fritz erst eine Anschubfinanzierung für eine neue Praxis, dann eine Finanzierung. Einer der beiden Pharmazeuten erklärt, wie sie die Bestechung verschleiern wollen: „Wenn ich ihnen ein Darlehen geben würde, hätte ich ja erst mal gar keinen wirtschaftlichen Nutzen und keine wirtschaftliche Beziehung zu Ihnen. Mein Kollege könnte dann die Zytostatika-Versorgung übernehmen.“
Kurz vor Weihnachten bringt der Pharmahändler den Treuhandvertrag vorbei: „Sie verdienen an jeder Flasche Immunglobulin. Das wird automatisch gutgeschrieben auf diesem Code-Konto.“ Mitte Januar kommt dann auch der Deal mit den Apothekern unter Dach und Fach. Ein von den Pharmazeuten eigens eingeflogener Anwalt für Medizinrecht aus dem Rhein-Main-Gebiet macht noch einmal deutlich: „Der Darlehensgeber sollte mit Ihnen geschäftlich gar nichts zu tun haben.“
Ende Januar kommt wieder der Pharmahändler vorbei: „Sie kriegen alle acht Wochen einen Stand, codiert, da steht noch nicht mal ihr Name drin. Und wenn sie sagen: 'Auszahlen!', dann sagen sie mir Bescheid. Und dann werde ich dafür Sorge tragen, dass das Geld in bar hierherkommt.“ Er berichtet, er habe noch andere Kunden, mit denen er so verfahre. „Da war ich gestern in Hannover, die haben 10.000 in bar bekommen. Einer war noch in der Nähe von Goslar, das waren auch 10.000 Euro.“
Beim letzten Termin erkundigt sich Fritz bei den beiden Apothekern, wie sie untereinander abrechnen, ohne dass der Deal auffliegt. „Der große Vorteil ist, dass wir ein sehr großes Vertrauensverhältnis haben und uns auch seit vielen Jahren kennen“, lautet die Antwort. Für die interne Verrechnung gebe es da mehrere Wege und Möglichkeiten. „Wenn es sie beruhigt, es ist nicht das erste Geschäft, das wir per Handschlag gemacht haben.“
Als der Arzt kurz den Raum verlässt, besprechen die Pharmazeuten, wie sie das Geld aus den Rezepten aufteilen wollen. „Weißt du was, behalte es erst einmal“, schlägt der Ältere vor. „Vielleicht müssen wir sogar ein Jahr Karenzzeit einfließen lassen.“ Es gehe „im Zweifelsfall um unser beider Sicherheit“. Sein Kollege pflichtet ihm bei. „Darum geht es. Aber nach einem Jahr ist das eigentlich locker. Da sehe ich überhaupt kein Problem.“
Im Beitrag wird das Anti-Korruptionsgesetz als unzureichend kritisiert: „Uns fehlt die Möglichkeit der verdeckten Ermittlung, die wir im Bereich der Korruption im Geschäftsleben haben. Das ist die Telefonüberwachung, und das ist das Abhören des gesprochenen Wortes im öffentlichen Raum“, sagt Dr. Peter Schneiderhan, Oberstaatsanwalt in Stuttgart und Präsidiumsmitglied beim Deutschen Richterbund, im Interview mit Panorama. Beides sei aber notwendig, um die im Geheimen getroffenen Absprachen dokumentieren und damit die Täter überführen zu können.
Den Beitrag finden Sie in der ARD-Mediathek.