„So habe ich das noch nicht erlebt“

Trulicity: Patient wollte von Magdeburg nach Hamburg fahren

, Uhr
Berlin -

Die Liefersituation bei Trulicity (Dulaglutid, Lilly) bleibt weiterhin so angespannt, dass Apotheken viele Patient:innen vertrösten müssen. Welche Aufwand Betroffene auf sich nehmen würden, um die dringend benötigte Spritze zu erhalten, erstaunte kürzlich Joachim Eggers, Inhaber der Nordsee-Apotheke in Hamburg. „Ein Patient wollte sogar aus Magdeburg anreisen.“

Die Verfügbarkeit des Antidiabetikums Trulicity ist derzeit stark begrenzt. Entweder erhalten Apotheken gar keine Ware oder müssen wochenlang darauf warten. Zugelassen ist der GLP-1-Rezeptoragonist als Mono- oder Kombinationstherapie zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes. Eingestellte Patient:innen können nicht ohne Weiteres auf andere Arzneimittel umsteigen. Grund zur Sorge bereitet deshalb auch eine erst kürzlich erschienene Stellungnahme des Herstellers: „Leider ist es nicht möglich, in nächster Zeit eine deutlich größere Menge an Trulicity für die weiterhin sehr hohe Nachfrage zur Verfügung zu stellen“, so Lilly.

Welche Hürden verzweifelte Patient:innen deshalb auf sich nehmen, musste Eggers erst vor Kurzem erfahren: „Bei uns meldete sich telefonisch ein Patient mit der Frage nach Trulicity. Er berichtete, dass er bereits etliche Apotheken abtelefoniert hatte“, so der Apotheker. Überall habe er eine Absage erhalten.

Eggers konnte helfen: „Ich hatte noch eine Packung vorrätig und fragte, wann er diese denn abholen könne.“ Die Antwort des Patienten erstaunte den Inhaber: „Er sagte, er bräuchte einen Moment länger zu uns. Als sich herausstellte, dass er aus Magdeburg anreisen würde, war ich schon überrascht“, so der Apotheker, der erst an einen Scherz dachte. „Das habe ich so auch noch nicht erlebt.“

Keine Alternative

Der Patient hätte 3,5 Stunden Autofahrt in Kauf genommen: „Er hielt noch kurz Rücksprache mit seiner Frau und sagte mir dann, dass er keine Alternative habe und zu uns fahren würde“, so Eggers. Am folgenden Morgen erhielt der Inhaber dann doch noch einmal einen Anruf vom Patienten: „Er entschuldigte sich bei mir und fragte, ob er doch stornieren kann. Nach weiterer Recherche habe er eine Apotheke gefunden, die etwas näher als Hamburg wäre“, so der Inhaber.

Was Eggers nicht versteht: „Was nützt mir ein Gesetz zu den Lieferengpässen, wenn einfach gar keine Ware da ist, um zu versorgen?“ Die Situation zu Trulicity sei das beste Beispiel, wie schlecht es um die Arzneimittelversorgung insgesamt stehe: „Solange die Hersteller lukrativer in andere europäische Länder verkaufen können, machen auch die Lieferengpass-Gesetze wenig Sinn“, so Eggers.

Zum Hintergrund

Die Wirkstoffe Liraglutid (Victoza), Semaglutid (Ozempic) und Dulaglutid (Trulicity) sind in allen derzeit aktuellen internationalen und nationalen Leitlinienempfehlungen zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 als Erstlinienpräparate mit oder ohne Kombination mit Metformin genannt, wenn bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 bereits kardiovaskuläre Komplikationen eingetreten sind oder ein sehr hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen besteht.

Bedeutet: Im Bedarfsfall müsste bei Wegfall dieser Therapieoptionen eine Stoffwechselstabilisierung der glykämischen Situation mittels individuell adaptierter Therapieumstellung einschließlich einer Insulintherapie erfolgen. Jedoch besteht dabei ein höheres Risiko für Hypoglykämien sowie unerwünschter Gewichtszunahme.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
Mehr aus Ressort
Saison startete 3 Wochen früher
Klimawandel verlängert Stechmücken-Zeit
Bei kaum längeren Fahrzeiten
Bessere Schlaganfallversorgung möglich

APOTHEKE ADHOC Debatte