Tresorschlüssel verschwunden, Oxycodon auch APOTHEKE ADHOC, 14.06.2018 12:28 Uhr
Nachts verschwindet in einem Altenheim in Bad Dürkheim ein Tresorschlüssel. Spurlos. Er ist nie wieder aufgetaucht. Weil in derselben Nacht im Juli 2015 auch zehn Oxycodon-Tabletten verschwanden, stand eine Altenpflegerin vor Gericht. Ein kniffliger Fall. Wohl auch deshalb hatte die Frau mit ihrer Revision Erfolg.
Das soll sich in jener Nacht zugetragen haben: Als die Altenpflegerin ihre Nachtschicht antrat, händigte ihr die Pflegefachkraft der Vorgängerschicht einen Schlüsselbund aus, an dem sich unter anderem der Schlüssel für einen Tresor im Stationszimmer befand. Dort wurden die unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Medikamente aufbewahrt.
In dem Heim gab es strenge Regeln: Nahm ein Mitarbeiter ein Medikament aufgrund ärztlicher Verordnung aus dem Tresor, so wurde dies stets am Ende der Schicht per Namenskürzel in einer Liste eingetragen. Der Medikamentenbestand wurde in regelmäßigen Abständen kontrolliert und mit diesen Einträgen abgeglichen.
Der Angeklagten war verboten, den Schlüssel an dritte Personen, zum Beispiel Pflegehelfer, auszuhändigen. Da sie die einzig für die Schicht zuständige examinierte Fachkraft war, durfte nur sie Medikamente aus dem Tresor entnehmen. Es gab keinen weiteren Schlüssel für den Tresor. In der Tatnacht, am 4. Juli nach 4.30 Uhr, verkündete die Angeklagte, dass sie den Schlüsselbund mit dem Tresorschlüssel verloren habe. Zuvor hatte sie einen Blister mit zehn Tabletten Oxycodon entnommen. Am darauffolgenden Morgen rückte der Hausmeister an, der den Tresor aufflexen musste.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Dürkheim, 140 Tagessätze zu je 50 Euro wegen Diebstahls „im besonders schweren Fall“ in Tateinheit mit veruntreuender Unterschlagung und unerlaubten sich Verschaffens von Betäubungsmitteln, ging die Frau in Berufung. Das Landgericht Frankenthal verwarf diese Berufung im Oktober 2017. Gegen diese Entscheidung legte die Altenpflegerin Revision beim OLG Zweibrücken ein. Dieses verwies die Sache im Mai 2018 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal zurück.
In der Begründung wird unter anderem angeführt, dass der Schuldspruch wegen Diebstahls an den Tabletten keinen Bestand habe, „weil das Landgericht die tatsächlichen Voraussetzungen einer Wegnahme nicht hinreichend belegt hat.“ Der Arbeitnehmer hat in der Regel nur Mitgewahrsam an den ihm überlassenen Arbeitsmitteln oder Waren inne, da er diesbezüglich arbeitsrechtlichen Weisungen unterliegt.
Anders, so die Richter, sei das beispielsweise bei einem Kassierer in einem Supermarkt, wenn es um den Kasseninhalt geht. „Das generelle Kontroll- und Weisungsrecht des Dienstherrn gegenüber seinem Bediensteten begründet in einem solchen Fall nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn. Denn dieser kann und darf nicht ohne die Mitwirkung des für den Bestand verantwortlichen Angestellten auf die im Bestand befindlichen Gegenstände zugreifen. Auch derjenige, der eine Sache in Verwahrung gibt und – etwa mangels eines Schlüsssels – keinen Zugang zum Verwahrungsgut mehr hat, verliert seinen (Mit-)Gewahrsam an dem Verwahrgut. Nimmt der Verwahrer das Verwahrgut daher unrechtmäßig an sich, liegt regelmäßig lediglich Unterschlagung und nicht Diebstahl vor“, heißt es in der Begründung.
Das Gericht konnte deshalb nicht ausschließen, dass „die Angeklagte im Zeitpunkt des Zugriffs auf die Tabletten Alleingewahrsam an diesen hatte und folglich (lediglich) eine Unterschlagung begangen hat. Die Sache bedarf deshalb erneuter Verhandlung und Entscheidung.“
Das Schicksal des Schlüssels konnte nie geklärt werden. Allerdings konnte das Landgericht die Vermutung, dass die Angeklagte diesen an sich nahm, „um ihn für sich zu behalten“, nicht tragfähig begründen. Im Zweifel für den Angeklagten.
Das Schmerzmittel Oxycodon machte in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen. Viele Abhängige in den USA sind über verschreibungspflichtige Schmerzmittel wie dieses in die Heroinsucht gerutscht. Seit den 1990er-Jahren wurden die Medikamente in den USA von Ärzten en masse verschrieben und den Patienten versichert, dass die Suchtgefahr nicht groß sei. Mittlerweile sprechen Experten von einer Opioid-Epidemie, die Zahl der Überdosis-Fälle ist rasant gestiegen, viele Menschen rutschten in die Sucht und verloren ihre Existenz.