Das Pharmaziestudium besteht nicht nur aus Hörsaal und Studentenpartys – sondern findet zum großen Teil auch im Labor statt. Für den einen ist es der Höhe-, für den anderen der Tiefpunkt. Für Paul ist es eine Wonne, nicht mehr nur sitzend zu pauken. Er weiß aber auch schon, wie es geht – mancher seiner Kommilitonen betritt hingegen offensichtlich Neuland. Auch Anne kann dem Labor etwas abgewinnen – zwischen vielen Frusterlebnissen. APOTHEKE ADHOC begleitet die nächste Apothekergeneration bei ihren ersten Schritten zwischen Hörsaal, Wohnheim und Labor.
So sehr sich Paul Wohlgemuth auch auf das Labor gefreut hat – das Praktikum begann erst einmal mit einem kleinen Dämpfer. „Am ersten Tag haben wir erst mal eine Standpauke von unserer Professorin erhalten“, erzählt er. „Unsere Sicherheitsklausur war richtig erbärmlich, hat sie gesagt, die schlechteste seit Jahren.“ Bevor er und seine Kommilitonen mit Reagenzglas und Bunsenbrenner hantieren durften, mussten sie eine Sicherheitsprüfung ablegen: Kleider- und Verhaltensordnung, Gefahrensymbole, Entsorgung von Gefahrenstoffen und dergleichen weiter. Für Paul, der vor dem Studium bereits ein Jahr PTA-Ausbildung absolviert hat, eigentlich müßig. „Die war wirklich kein Problem“, sagt er.
Manch anderem in seinem Jahrgang ging das offenbar nicht ganz so. „Manche haben da Antworten gegeben, die mir völlig unerklärlich sind“, erinnert er sich an die Ausführungen der Professorin. Wie man Kaliumcyanid richtig entsorgt, wurde da beispielsweise gefragt. „Einfach ins Abwasser, haben das manche angekreuzt!“ Wie entsorgt man Brom? „In den Schwermetallbehälter, haben welche geantwortet! Seit wann ist Brom denn ein Metall?!“ Was sollte man tun, wenn die Schwefelwasserstoffflasche leckt? „Man stellt die Lüftung ab“, meinten andere.
„Sie war richtig sauer und hatte ernsthaft überlegt, diese Personen durchfallen zu lassen“ – in einer halbstündigen Prüfung, die eigentlich nur pro forma absolviert werden muss. Gnade vor Recht habe sie dann aber walten lassen, denn wer die Sicherheitsklausur verbockt, darf nicht ins Labor und muss damit das erste Semester wiederholen. „Ich weiß nicht, wer das war. Aber ich hoffe, dass die im Labor nicht neben mir stehen!“, sagt Paul und klingt immer noch etwas ungläubig.
Während manche das neue Territorium also offensichtlich erst noch erkunden müssen, ist es für Paul eher eine Rückkehr. „Als ich das erste Mal das Labor betreten habe, hat sich das angefühlt, als ob ich nach Hause komme“, sagt er. Das Labor sei das Einzige gewesen, das er an der PTA-Ausbildung wirklich mochte. „Ich liebe vor allem den Geruch, die Luft dort. Die Atmosphäre im Labor ist ja korrosiv, die Luft leicht sauer. Solche Analyselabors riechen immer gleich.“ Er freue sich, endlich wieder frei arbeiten zu können, „und nicht immer nur auf dem Hintern zu sitzen und zu schreiben“.
Die Grundlagen bringt er also schon mit. Identitätsreaktionen, Reinheits- und Gehaltprüfungen oder die Arbeit mit dem Arzneimittelbuch sind ihm schon vertraut. Das Wichtigste, die Trennungsgänge, kamen in der Ausbildung hingegen nicht dran. „Die sind auch für mich Neuland“, sagt er.
Das sind sie auch für Anne Brechlin. Da hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Sie kann der Arbeit im Kittel nämlich nicht viel abgewinnen. „Neben Physik ist das Labor für mich das nervigste“, sagt sie. „Es ging mir schon in der Schule so, dass ich die Theorie immer mehr mochte als die Experimente. In der Theorie funktioniert es halt immer.“ In der Praxis ist das schon weniger verlässlich. Die Trennungsgänge frustrieren sie: „Im Seminar besprechen wir vorher, wie das laufen muss, da sieht das echt schön aus. Dann drucke ich mir das aus, das sieht dann immer noch schön aus. Und dann mache ich das selbst. Und dann sieht es nicht mehr schön aus.“
Da ist es dann, das Pärchen Theorie und Praxis. „Im Buch ist das immer wunderbar beschrieben. ‚Erst passiert das und dann passiert das.‘ Dann mache ich es wie beschrieben – und es passiert nichts.“ Dennoch, es ist nicht alles Gift, was stinkt: „Wir haben allerdings auch sehr coole Experimente im Labor, die Leuchtprobe von Zinn zum Beispiel.“ Es gibt also auch genug Erfolgserlebnisse und wirklich existentiell sind auch die Rückschläge bei den Trennungsgängen nicht. „Sorgen, das Studium nicht zu schaffen, habe ich trotz allem nicht.“
Außerdem ist Frust immer noch besser als Angst. Denn die scheint es tatsächlich unter Pauls Kommilitonen zu geben. „Manche trauen sich kaum, irgendwas anzufassen“, sagt er und kann nicht verbergen, dass es ihn ein wenig erheitert. „Denen ist bange wegen der Toxikologie-Prüfung, weil uns da erklärt wurde, was Säuren und Basen alles mit dem Körper machen können.“
Dass Laugen Gewebe sehr schnell bis auf den Knochen verätzen können, wurde ihnen da beispielsweise erklärt. „Unsere Professorin hat dann versucht, die Sorgen zu zerstreuen und ihnen erklärt, dass noch nie etwas Schlimmes passiert ist, dass sich noch nie jemand ernsthaft verletzt hat.“
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