Treffpunkt der Ministerkräuter Silvia Meixner, 16.08.2017 08:02 Uhr
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Der Karlsruher Apotheker Patrick Kwik liebt Musik und nahm kürzlich zum zweiten Mal an der Aktion „Spiel mich!" teil. Nach sechs Jahren Baustelle vor seiner Haustür sagt er lächelnd: „Musik ist gut gegen Baulärm." Und vielleicht hat er ja einen speziellen TCM-Tee gegen Baustellen-Stress... Foto: Congress Apotheke
Menschen, die traditionelle chinesische Medizin anwenden, sind überzeugt, dass die Jahrtausende alte Lehre hilft. Andere sind TCM gegenüber skeptisch. Bei Patrick Kwik in Karlsruhe kann man sich umfassend beraten lassen. Und sich dann selbst eine Meinung bilden. In der Congress Apotheke findet sich für Reisende auch so manches sinnvolle Souvenir.
Ein Tee zum Beispiel. Dafür sind die Chinesen schließlich berühmt. Patrick Kwik kam auf ungewöhnliche Weise zu TCM: „Die Kunden fragten oft: ‚Sie sind doch Chinese, Sie müssen das doch können?!“ Anfangs konnte er es nicht. Also hat er es gelernt. Obwohl er Deutscher ist, mit asiatischen Wurzeln, seine Vorfahren stammen aus dem Osten Chinas und aus Indonesien. Kwik machte nach seinem Pharmazie-Studium eine TCM-Ausbildung in München, London und China.
Wer auf schnelle Beratung setzt, ist bei der traditionellen chinesischen Medizin an der falschen Adresse. Yin und Yang sind die Ordnungsprinzipien, die in dem über 2500 Jahre alten „Buch der Wandlungen“ beschrieben sind. Es sind Polaritäten, die einander wechselseitig hervorbringen und einander bedingen. Das eine Prinzip kann ohne das andere nicht existieren. Und herauszufinden, welche Energie gerade stimuliert werden möchte, braucht seine Zeit.
Körperliche Missstände oder Disharmonien, die sich oft über Jahre hindurch aufgebaut haben, können sich nicht mal eben schnell mit einer Tasse Tee kurieren lassen. Kwik sagt: „Man muss offen sein für Neues. Leider kommen die Leute oft erst dann, wenn die Schulmedizin nicht mehr wirkt.“
Aus Erfahrung weiß er: „Bei den meisten Menschen ist die Balance im Ungleichgewicht. Jeder von uns hat mehr Stress als er brauchen kann. Dazu kommen Ernährungsfehler.“ Und schon fühlt man sich schlapp, greift zu Nahrungsergänzungsmitteln. Manchmal ist ein Tee, praktisch maßgeschneidert, die bessere Alternative.
Die Experten der Congress Apotheke stellen individuelle chinesische Rezepturen her. Dafür werden einzelne Kräuter, Kräutermischungen, Dekokte (Konzentrate), pulverisierte Kräuter, verwendet und Pasten, Salben, Cremes, Zäpfchen und Pillen hergestellt. Das eingesetzte „Hauptkraut“ heißt in der TCM „der Kaiser“, alle übrigen Kräuter sind „Ministerkräuter“.
Der Karlsruher Apotheker hat seinen persönlichen Tee, den er – als wäre nicht alles schon kompliziert genug – kontinuierlich adaptiert. „Ich habe viel Stress, bin viel im Yang. Stress verbraucht Yin, das muss ich aufbauen.“ Zu wenig Schlaf fördert beispielsweise den Abbau von Yin. Kwik sagt: „Gegen Müdigkeit hilft Ginseng.“ Aber das ist beinahe eine eigene Wissenschaft. Es gibt in China rund 40 verschiedene Sorten. Ginseng ist gut gegen Müdigkeit und stabilisiert die Energien des Körpers. „In China gibt es darum einen großen Kult“, erklärt der Apotheker. Männer hoffen auf potenzsteigernde Wirkung, aber es ist durchaus Vorsicht geboten: „Wenn jemand Ginseng nicht verträgt, kann hoher Blutdruck entstehen.“ Also besser jemanden fragen, der sich damit auskennt.
„Je nach Konstitution muss ein Mensch die Hitze loswerden oder neue bekommen. Wer zum Beispiel immer kalte Füße hat, braucht weniger Minztee. Frauen trinken im allgemeinen trotzdem gern Pfefferminztee. Das ist eigentlich gar nicht gut“, führt der Experte aus. In diesem Fall empfiehlt er eher ein warmes Fußbad.
Aber zuerst muss der Patient zum Arzt oder Heilpraktiker. Der macht eine Zungen- und Pulsdiagnose und stellt fest, welche Kräfte sich im Körper nicht im Einklang befinden. Dann geht er in die Fach-Apotheke, um „seine“ Medizin in Form von Kräutern abzuholen. Vier bis zwölf verschiedene Bestandteile hat so eine Medikation meistens. In der gut sortierten Kräuterapotheke von Kwik gibt es rund 600 Kräuter. Sie gehört bundesweit zu den bestsortierten.
„Bei uns ist alles zertifiziert, wir erhalten die Ware von Großhändlern. Die Kräuter werden schon in China oder Taiwan geprüft, dort sind die Labore moderner als die meisten in Deutschland“, sagt der Apotheker. „Zur Sicherheit werden die Kräuter in Deutschland noch einmal geprüft, schließlich sind sie rund einen Monat mit dem Schiff unterwegs. Die Kräuter werden bei uns pulverisiert oder wir kochen sie für den Kunden. Es gibt Kräuter, die man zum Beispiel ein bis zwei Stunden vor der Einnahme kochen muss.“ Besonders interessant ist die Concha Ostrae, eine Muschel, die zur Gruppe der Austern gehört. Ihr wird eine den Geist beruhigende Wirkung zugeschrieben, sie soll gegen Unruhe, Schlaflosigkeit, Ängste und Herzrhythmusstörungen helfen. Die Zubereitung der TCM-Zutaten unterliegt strengen Regeln, wenn sie ihre Wirkung entfalten sollen.
In der Congress-Apotheke hat Kwik eine kleine chinesische Ecke mit einer roten Pagode und Teedosen ausgestellt. Für Interessierte bietet er regelmäßig Vorträge zum Thema an: „Dann räumen wir die Offizin aus.“ Der Andrang ist stets riesig: „Beim ersten Vortrag hatten wir mehr als 150 Anmeldungen, mehr als 50 Gäste passen gar nicht in die Offizin.“
Wer auf Sommerreise ist, kann sich in der Congress Apotheke ausführlich beraten lassen, einen Tee als Souvenir kaufen, in der Bücherecke zum Thema TCM lesen und anschließend die schöne Stadt besichtigen. Es gibt eine Parallele zwischen TCM und Karlsruhe: Alles verläuft nach einer strengen, weil vernünftigen Ordnung. Die Stadt allerdings ist „erst“ 300 Jahre alt, verglichen mit TCM also ein Youngster. Die Stadt bezeichnet sich gern als „Denkfabrik mit Lebensart“.
Am besten, man besteigt zuerst den Turm des Karlsruher Schlosses. Von dort aus hat der Reisende einen wunderbaren Blick über die Stadt und versteht, warum sie „Fächerstadt“ heißt. Das Schloss ist der Mittelpunkt des „Karlsruher Fächers“, zu dem Markgraf Wilhelm von Baden-Durchlach am 17. Juni 1715 den Grundstein legte. Karlsruhe ist einer der letzten großen Stadtgründungen, die auf dem Reißbrett entworfen wurden. Der Grundriss stellt einen „Sonnenfächer“ mit 32 Strahlen dar, die von zwei Kreisen durchschnitten werden.
Vom Schlossturm aus gesehen bilden die neun südlichen Strahlen Gassen, die nördlichen 23 „Schlossstrahlen“ sind Alleen in einer Parkanlage und führen den Spaziergänger in den Wald. Nach und nach entstand um das hübsche Fächerkonstrukt dann die Stadt Karlsruhe. Und die hat viel zu bieten: Naturkundemuseum, Staatliche Kunsthalle, den Zoo, Schloss Gottesaue. Danach geht‘s in den herrlichen Botanischen Garten der Stadt. Die Kräuter! Vielleicht ist ja etwas für TCM dabei.