Transplantationsmedizin

Organspende-Skandal: Arzt vor Gericht dpa/APOTHEKE ADHOC, 19.08.2013 14:54 Uhr

Manipulierte Organvergabe: In Göttingen muss sich ein Arzt wegen versuchter Tötung verantworten. Foto: DSO
Berlin - 

Der Skandal um Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen machte bundesweit Schlagzeilen. Nun muss sich ein ehemaliger leitender Mediziner wegen versuchter Tötung verantworten. Zum Auftakt des Prozesses um mehrfachen Betrug bei Organtransplantationen hat der angeklagte Mediziner alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 46-jährigen Arzt versuchten Totschlag in elf und Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vor. Der Mediziner soll manipulierte medizinische Daten an die zentrale Vergabestelle Eurotransplant gemeldet haben, um schneller Spenderorgane für seine Patienten zu bekommen. Dabei soll er in Kauf genommen haben, dass andere schwer kranke Menschen kein Spenderorgan erhielten und deshalb möglicherweise starben.

Der frühere Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin bestritt vor dem Landgericht Göttingen in einer Erklärung seiner Verteidiger, Manipulationen bei der Verteilung von Organen vorgenommen oder veranlasst zu haben. Die Verteidigung bezeichnete die Vorwürfe als absurd. Niemand sei zu Schaden gekommen, dies sei inzwischen nachgewiesen. Auch ein nachvollziehbares Motiv für die Verbrechen könne die Staatsanwaltschaft nicht nennen, erklärten die Verteidiger.

Sie machten die Staatsanwaltschaft für den Rückgang an Organspendern in Deutschland verantwortlich. Die Behörde habe ein Zerrbild des Arztes gezeichnet und ihn fälschlich als Verbrecher und „verantwortungslosen Halunken“ dargestellt, der sich die Taschen vollstopfe. Dabei habe der Mediziner in keinem Fall finanziell partizipiert.Detail

Bei dem Prozess handelt es sich um das bundesweit erste Verfahren, in dem einem Arzt nach Manipulation von Patientendaten ein Tötungsdelikt vorgeworfen wird. Rechtsexperten sprechen von juristischem Neuland. Sie halten es vor allem für problematisch, dass nicht klar nachgewiesen werden kann, wer die Geschädigten sind. Der Prozess dürfte deswegen sehr langwierig werden. Bislang sind bis Mai 2014 mehr als 40 Verhandlungstage angesetzt.

Zum Beginn des Verfahrens haben sich Die Linke und die Grünen für eine öffentlich-rechtliche Institution ausgesprochen, die die Koordination der Organspenden übernehmen soll. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kritisierte die Grüne-Fraktionsvorsitzende Renate Künast, die Bundesregierung habe „sich bislang einer grundlegenden Reform des Systems verweigert und sich mit kleinen Änderungen begnügt“.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), kritisiert die Forderung als „Ruf nach einer Verstaatlichung“, der in die Irre führe und die Menschen unnötig verunsichere. „Keiner der Skandale wäre damit verhindert worden, denn da war kriminelle Energie im Spiel.“

Manipulationen bei Organvergabe-Daten können laut Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) heute nicht mehr vorkommen. Ärzte könnten nach Gesetzesverschärfungen nicht mehr allein über die Position auf der Warteliste entscheiden. Unter anderem seien ein Mehr-Augen-Prinzip und unangemeldete Prüfungen eingeführt worden. Für Verstöße gibt es seit diesem Sommer eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.