Transplantationsmedizin

Arzt: Organvergabe nach Lebenserwartung dpa, 23.08.2014 14:29 Uhr

Berlin - 

Angesichts des neuen Organspende-Skandals am Deutschen Herzzentrum in Berlin fordern Experten neue Regeln und schärfere Kontrollen. Ein Mitglied des Ethikrats verwies jedoch auch auf bereits erreichte Fortschritte.

Berlins Ärztekammerpräsident Dr. Günther Jonitz verlangte neue Kriterien für die Vergabe von Spenderorganen. „Derzeit erhalten vor allem jene Patienten ein neues Organ, die besonders krank sind. In Zukunft sollte die voraussichtliche Lebenserwartung eine größere Rolle spielen“, sagte Jonitz dem Nachrichtenmagazin Focus. Zwei Jahre nach dem Organspende-Skandal in Deutschland könnten die neuen Vorwürfe das Vertrauen in das System weiter beschädigen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Totschlags gegen das Herzzentrum in Berlin. Es bestehe der Verdacht, dass Wartelisten für Herztransplantationen manipuliert wurden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Ermittelt werde, ob Patienten auf der Liste bevorzugt wurden, während andere nach hinten rutschten und damit in Lebensgefahr gerieten. Geprüft werde auch, ob Patienten wegen möglicher Manipulationen starben.

Transplantationsmediziner und Ethikratsmitglied Professor Dr. Eckhard Nagel sagte, man müsse differenzieren zwischen dem, was in Berlin zwischen 2010 und 2012 passiert sein soll und der aktuellen Situation. „So sehr ich schockiert bin über die Meldung, so sehr gehe ich davon aus, dass dies heute nicht mehr möglich wäre“, sagte der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen.

Es habe sich viel getan im Bereich der Transplantationszentren. Es seien Transplantationskonferenzen eingeführt worden sowie das Sechs-Augen-Prinzip zur Prüfung aller Daten bei der Anmeldung für die Warteliste.

Eugen Brysch, der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, hatte dem Herzzentrum vorgeworfen, bereits seit Monaten von den Vorwürfen gewusst zu haben. Er forderte, in die nach dem Organspende-Skandal von 2012 eingesetzte Kommission auch staatliche Vertreter zu entsenden. Zudem schlug er vor, die Überwachung und Prüfung der Vergaben an das Robert-Koch-Institut (RKI) zu übertragen.

In Deutschland warten etwa 10.700 Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Schwerstkranke Patienten werden nach strengen Kriterien in einer bundesweiten Dringlichkeitsliste geführt. Dies soll sicherstellen, dass gespendete Organe nur nach medizinischer Notwendigkeit vergeben werden.

Mit 2013 nur noch 876 Organspendern nach 1046 im Jahr 2012 und 1200 im Jahr davor sank die Zahl auf einen historischen Tiefstand. In diesem Jahr setzte sich diese Tendenz fort: Von Januar bis Juli gab es 513 Spender, im Vorjahreszeitraum waren es 548.