Toxikologe: Stickstoffdioxid reizt Atemwegsorgane dpa, 28.10.2018 10:43 Uhr
Der viel diskutierte Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2) kann nach Einschätzung des Mainzer Toxikologen Professor Dr. Thomas Hofmann weitreichende Folgen für die Gesundheit haben. „Es ist ein leichtes Reizgas und wirkt sich auf die Lunge und die Lungenbläschen aus“, sagte der Direktor des Instituts für Toxikologie der Mainzer Universitätsmedizin. Für gesunde Menschen sei es in der Regel zwar weniger ein Problem, wohl aber für Kinder oder Menschen, die geschwächt oder unter Atemwegserkrankungen litten. „Sie reagieren deutlich sensitiver“, sagte Hofmann.
Als ein Hauptverursacher der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NO2) gelten Dieselabgase. Damit hat sich zuletzt auch das Mainzer Verwaltungsgericht beschäftigt. Wegen der in der Stadt jahrelang überschrittenen NO2-Grenzwerte trugen die Richter der Kommune auf, ihren Luftreinhalteplan nachzubessern und auch mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge aufzunehmen. Sollte in Mainz der Mittelwert der NO2-Belastung in den ersten sechs Monaten 2019 über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, dazu können dann auch Fahrverbote gehören.
Die Auswirkungen durch Stickstoffdioxid könnten bis hin zu Bronchialentzündungen gehen, sagte Hofmann. Wenn diese chronisch würden, führe das zu Kurzatmigkeit, auch die Sauerstoffversorgung des Körpers sei dann schlechter. Laut Umweltbundesamt kann es zu einer Verengung der Bronchien kommen, die dann vor allem für Asthmatiker problematisch sein kann, da Allergene verstärkt wirken. Das Amt sieht zudem einen Zusammenhang zwischen der NO2-Belastung und Krankheiten wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder Schlaganfall.
Epidemiologische Studien zeigten, dass Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnten, mit chronischen Atemwegserkrankungen zu tun hätten, sagte Hofmann. Ihm zufolge können chronische Entzündungen letztlich auch ein „Mosaikstein“ hin zu einer von zahlreichen Faktoren ausgelösten Krebserkrankung sein.
Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) in der Außenluft von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft orientiere sich an den empfindlichsten Menschen wie Kindern oder Kranken, sagte Hofmann. „Sie können sich der Atemluft auch nicht entziehen.“ Das erkläre, warum dieser Grenzwert deutlich niedriger sei als der für NO2 am Arbeitsplatz mit 950 Mikrogramm. Letzterer gehe davon aus, dass sich am Arbeitsplatz gesunde Menschen zeitlich begrenzt aufhielten. „Dazu gehört dann immer auch eine arbeitsmedizinische Begleitung“, sagte Hofmann. Im Zweifelsfall müsse gesagt werden, dass dieser Arbeitnehmer an diesem Arbeitsplatz vorerst nicht mehr tätig sein könne.
Auf Zahlen, wonach Tausende in Deutschland wegen NO2 erkranken oder vorzeitig zu Tode kommen, blickt Hofmann skeptisch. „Meiner Meinung nach ist so was kausal nicht wirklich belastbar zu sagen.“ Das solle Stickstoffdioxid aber nicht verharmlosen. „Was man nicht leugnen kann, ist, dass dadurch Atemwegserkrankungen ausgelöst werden können.“
Deutlich verlässlichere Erkenntnisse gebe es zu den Folgen von Feinstaub, sagte Hofmann. Er dringe in Zellen ein, könne zu Entzündungen führen, das Immunsystem aktivieren und allergische Reaktionen nach sich ziehen oder verstärken. „Für den gesunden Erwachsenen ist eine Dauer-Exposition mit Feinstaub deutlich gefährlicher“, erklärte Hofmann. Grundsätzlich nehmen dem Experten zufolge Atemwegserkrankungen zu. Ganz deutlich sei das in China zu sehen, wo die Luftreinhaltung nicht so einen hohen Stellenwert habe wie hierzulande. „In den großen Städten wie Shanghai und Peking leidet ein großer Teil der Bevölkerung unter Reizungen der Atemwege.“